Annette Frier allerorten: Hier dreht sie einen neuen Film, dort versucht sie, andere zum Lachen zu bringen (möglichst ohne selbst eine Miene zu verziehen), und wieder woanders engagiert sie sich in einem Chor für Menschen mit Demenz. Selbst beim Papst treibt sich die Schauspielerin und Komikerin gern mal herum, zusammen mit Schwester und Mama (wen es genauer interessiert: Im Kölner Treff hat sie davon erzählt, und das war sehr, sehr lustig).

 

„…dann geht das alles raus“

Was also klar wird: Diese Frau, Schauspielerin und Komikerin, hat viel zu tun. Und: Dieser Frau muss wahrlich der Kopf drehen. Tut es auch, verrät die Kölnerin im Podcast „Hotel Matze“. Doch sie hat auch ein 1a-Gegenmittel, berichtet sie. Sie greift sich Papier und Stift, und dann geht es los: Runterschreiben, was ihr durch den Kopf geht, und zwar zu Beginn jeden Tages.

„Ich schreibe alles auf, sobald ich morgens aufwache. Zwei, drei Seiten, dann geht das alles raus.“ Der ganze Gedankenschmodder, die ganzen Sorgen, Zweifel, Kleinigkeiten, Großigkeiten, Grübelverknotungen. Morgenseiten nennen das Achtsamkeitsexperten auch, „Morning Pages“ noch hippere, die vielleicht auch Journaling sagen statt Tagebuchschreiben. Sich morgens drei Minuten klauen, hinsetzen, schreiben, „ganz random“, sagt Annette. „Ich schreibe dann mit mir selbst.“

„Ich mache das seit ein paar Jahren fast regelmäßig, und das ist total super!“

Für Annette Frier sind Morning Pages vor allem ein prima Tool, um sich von überflüssigen Dingen zu befreien. Von Gedanken, die keiner mehr braucht, am wenigsten die, die einen ganz kirre machen im Kopf. Und dabei braucht es gar nicht immer die großen Themen, Konflikte, das große Drama, über das sich ganz offensichtlich zu schreiben lohnt. Manchmal ist der Kopf auch von Alltäglichkeiten voll, wird man von Minikram am Glücklichsein gehindert. „Das sind ja oft Kleinigkeiten“, sagt Annette. Auch diesen gibt sie beim Schreiben einen Raum.

Ihr Trick: „Ich schreibe, weil ich schreibe, weil ich schreibe“

Doch manchmal will ihr so früh morgens auch gar nichts einfallen. Dann sie schreibt trotzdem. Mit einem Anschubsertrick, verrät sie im Interview mit Matze Hielscher: „Dann schreibe ich einfach nur: Ich schreibe. Ich schreibe, weil ich schreibe. Ich schreibe, weil ich schreibe, weil ich schreibe.“ Irgendwann, so sagt sie, kommt dann doch zuverlässig ein erster Gedanke. „Das kann dann sein: Gestern Abend war doof.“ Und: „Gestern Abend war doof, weil…“

…und warum taucht diese Sybille immer wieder auf?

So komme sie sich Wort für Wort, Zeile für Zeile der morgengekritzelten Gedanken „selbst auf die Schliche“, wie sie sagt. Was genau nervt sie, fragt sie sich dann selbst, was versteckt sich denn da hinter diesen negativen Gefühlen? „Manchmal fällt mir dann auf, dass ein Thema, vielleicht auch ein Name, besonders häufig auftaucht.“

Ach siehe da, denkt sie dann, da steht sie ja schon wieder, die Sibylle. Was ist denn das mit dieser Sybille? Lauert da eine Störung mit dieser Sybille? Oder hat sie vielmehr ein Problem mit sich selbst, die Annette, und die Sybille bringt nur das zum Vorschein? „Ist ja oft so“, sagt Annette, „dass die Leute, mit denen man meint, ein Problem zu haben, gar nicht so viel damit zu tun haben – und dann landet man im Selbstgespräch.“

Hat sie all das nur im Kopf, starr und stopfend, kommt sie nicht zum neuralgischen Punkt. Erst wenn sie es schwarz auf weiß vor sich sieht, gerät etwas in Bewegung. Mittlerweile habe sie ganz viele solcher Notizbücher vollgeschrieben. Manchmal, sagt sie zögerlich, denn oft passiert es wohl nicht, schaue sie nach ein paar Monaten, einem Jahr vielleicht, nochmal hinein. Erinnert sich, wundert sich, „das war so ein Thema?! Das war so wichtig?!“ Klappt das Buch zu. Lacht ihr Frier-Lachen. Und sagt: „Und wie scheißegal ist es heute?!“

 

 

— Gut zu wissen —

Der Ursprung

Annette Frier hat sich die Methode nicht ausgedacht. Eine der ersten, die dazu riet, morgens ein paar Seiten über die eigenen Befindlichkeiten zu schreiben, war die US-amerikanische Autorin Julia Cameron. Nicht so sehr als Schmodder-komm-raus-Psychomethode, sondern als Kreativitätstool. In ihrem Buch The Artist’s Way, deutsch: Der Weg des Künstlers, stellt sie die Strategie als Grundwerkzeug vor, um die eigene Kreativität anzustacheln.

Bonus-Karma-Tipp

Statt Notizbüchern, sagt Annette Frier, kann man übrigens auch ganz großartig Zettel nehmen — einzelne Papiere, die sich hinterher „wunderbar verbrennen“ lassen, so die Schauspielerin.


 Befreit ungemein.

Mehr von Annette Frier

Annette Frier ist 2025 unter anderem im Kinofilm „Feste & Freunde“ zu sehen, ab Sommer außerdem in einer Neuinszenierung der Teeniekomödie „Mädchen Mädchen“. Mehr über die Künstlerin gibt es hier: https://www.annettefrier.de/

Hotel Matze


Und was ist das für ein Ort, an dem Annette Frier so freimütig über ihre Morgenkritzeleien plaudert? Ins „Hotel Matze“, ein Klassiker unter den Podcasts, lädt Journalist Matze Hielscher regelmäßig prominente Gäste ein und entlockt ihnen die interessantesten Geschichten. Zuletzt war Angela Merkel da. Ein Ritterschlag. Pardon. Ritterinnenschlag.

 

Über diese Reihe

Unter der Rubrik „Was uns gut tut“ soll sich auf diesem Blog versammeln, was Menschen – ganz subjektiv und individuell – als wohltuend empfinden. Denn irgendwann war mir aufgefallen, wie häufig Menschen doch sagen: „Ich tue dies — das tut mir gut“, „Ich mache seit Wochen jenes — das fängt mich auf.“ Oder: „Das erleichtert mich, beglückt mich, gibt mir einen Kick, einen Flow. Oder einfach nur: Seligkeit.“

Solche Life-Hacks, Psycho-Hacks will ich aufgreifen und hier zusammentragen. Kleine, nützliche Heilmittel, Tools-to-turn-to, Instant-Instrumente zum Wiederzusichfinden. Das kann ein bestimmter Gedichtband sein, ein Lied, Trampolinspringen, ein Anruf bei der Mama, alte Loriot-Filme, you name it. Denn ehrlich: Happymaker können wir doch alle gebrauchen, oder?

Bisher in dieser Reihe erschienen:

Mary Roos: tanzt durchs Leben
Juli Zeh und: Lesen als Befreiungsschlag
Golda Schultz und: „Sull aria“

 

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