>>> Der Winter – kosten wir ihn aus? Oder halten wir ihn nur aus? <<<

Noch nicht einmal Schnee angefasst dieses Jahr, fällt mir ein, während ich durch die windig-kalten Frankfurter Straßen laufe, mal eben schnell was einkaufen bei Rewe. Keinen Schneemann gebaut, und sei er auch noch so winzig. An keinem Kaminfeuer gesessen. Noch nicht einmal Eislaufen gewesen.

„Der Winter ist doch noch lang“, sagt der Mann, der’s wert ist, als ich ihm später davon erzähle. Zählt mir (wirklich!) die Monate auf, mit betont langgedehnten Vokalen: „Januaaaaar“, Pause, „Februaaaaar…“ –
„Ja, ja, ist ja gut“, sag’ ich, aber er hört nicht zu, macht weiter: „…und der März kann ja auch noch–“
„Richtig kalt sein, ja, ich weiß.“

Jedes Jahr haben wir diese Konversation, jedes Jahr ein Abwägen von: Kommt uns der Winter lang vor, kurz? Kosten wir ihn aus? Oder halten wir ihn nur aus?

Winter is a bitch, habe ich neulich irgendwo gelesen. Und ja, er kann es einem echt schwer machen. Die Kälte, die Dunkelheit, das Warten auf den Frühling, auf die ersten Knospen. Aber irgendetwas ist in diesen Wochen, und ich meine besonders jene nach Weihnachtswusel und Silvesterjubel, die etwas Einladendes haben. Etwas Beruhigendes. Etwas „Du-musst-nichts“.

Ich mache mich auf, auf die Suche nach einem Winter-Sammelsurium an Gutem. Und frage ihn selbst: Winter, what’s inside you? Was hast Du drauf, wenn der Lebkuchen gegessen, das Neujahrs-Konfetti weggefegt ist?

Und ich schicke ihm rasch ein PS hinterher: Aber komm mir jetzt nicht mit Karneval, mein Lieber!
Nee, kommt er nicht.

Hier ist, was er mir zuflüstert, der Winter:

Drinnie-Time

Mach’s dir gemütlich.
Ha – als wenn wir da nicht selbst drauf gekommen wären. Wart’ ab, wart’ ab, sagt er, der Winter. Drinnen sein zu können, ist ja auch eine Kunst. Um nicht ins Schlurfen und Gammeln zu kommen (wobei: Wer sagt hier was gegen Schlurfen?), gönn’ dir ein paar schöne Props, ein paar Utensilien, und vor allem: Erlaube dir das Drinnen sein. Schalte den FOMO-Schalter aus. Da draußen ist nichts, was Du verpasst, diese Fear of Missing Out, die Angst, da draußen geht die große Sause ohne Dich ab — streif’ sie ab. Du bist die Sause!

Das flüstert er mir zu, der Winter, während ich mir meinen Kakao mache. Nun such dir den Platz, an dem du zur Ruhe kommen kannst. Dein Sofa. Der Lesesessel. Meinetwegen dein Bett. Alles ist erlaubt.

Vielleicht auch das Fensterbrett, hübsch Kissen drunter, schon hält es der Hintern darauf auch ne gute Weile aus. „My favourite journey is looking out the window“, sagte doch auch der Autor Edward Gorey – also let the winter journey begin.

Gucke nach draußen, gucke nach innen, halte auf jeden Fall die Augen offen; besinne dich.

Einkuschel-Bücher

Nun gut, Travel-Buddy Nr. 1 auf dieser Einkuschelwinterreise: Bücher, immer schon. Welche Bücher sind besonders gute Gefährten in dieser rauhreifen Zeit? Locken uns unter die Decke, entführen uns in andere Welten oder Zeiten, dass wir den Sturm da draußen vergessen können? Ein kleiner Überblick. Wer mag, kann ihn gern (über die Kommentare) ergänzen.

„Überwintern“

Tiere halten Winterschlaf, Winterruhe oder fallen in Winterstarre. Unsere empfindlichen Kübelpflanzen bringen wir über die kalten Monate in ein Winterquartier, schützen andere, die im Beet bleiben müssen, mit Reisig. Und wir? Wer schützt uns? Wer baut uns einen behütenden Kobel? Wo können wir „überwintern“? Das Buch von Katherine May (ich lache innerlich ein bisschen über die Ironie des Nachnamens) gibt eine Ahnung, wie es sein kann, sich einzuigeln.
May setzt die Jahreszeit metaphorisch mit Lebensphasen gleich, die einen dazu zwingen, innezuhalten. Ein zauberhaftes Buch.

Elizabeth Gilbert (ihr wisst ja, das ist die, die mir schon einmal gedanklich lieb über den Kopf gestreichelt hat) sagt über das Buch: „Wunderschön und heilsam wie der Winter selbst.“ (Brrrrieeeek – einmal Bremsspur hier bitte, denn darüber kann man ja nur stolpern: Kann der Winter heilsam sein? Wie und wieso? Dazu werde ich bald eine Expertin befragen…)

„Betty und ihre Schwestern“

Ein Klassiker, den ich seit meiner Jugend immer mal wieder zur Hand nehme: Betty und ihre Schwestern (mittlerweile schon zweimal verfilmt, einmal in den Neunzigern mit Winona Ryder, später noch einmal von Sofia Coppola) — und ich muss sagen: Er enttäuscht nie.

Der Name der Rose – die Winterreise ins Mittelalter

Das Debüt vom italienischen Schriftsteller Umberto Eco – ein Welterfolg. Eine großartige Geschichte über einen jungen Novizen, der einen merkwürdigen Todesfall in der Benediktinerabtei aufklären soll, zugleich aber auch ein wunderbares Porträt des Spätmittelalters. Der richtige Schmöker für ein paar Winterabende, aber mit Anspruch.

Der Schneesturm – weiße Watte aus Erzählkonvention

Aber nochmal zurück in den Schnee – schließlich ist es doch das, was wir im Winter auch beim Lesen spüren und wahrnehmen wollen: klirrende Kälte, Eis von einer Helligkeit, dass es uns blendet, das Knirschen von Schnee unter schweren Stiefeln oder Schlittenkufen. Und da wären wir auch schon mittendrin, in „Der Schneesturm“ von Vladimir Sorokin. Der in Moskau lebende Schriftsteller wird als der neue „große russische Stilist“ gefeiert, erinnert manch Literaturrezensenten an Tschechow, andere an (nun nicht russisch, klar) Kafka. Das Besondere: Sein Roman mutet an wie aus dem 19. Jahrhundert (inklusive der Requisiten, etwa eines Telefons mit einer, hach, T e l e f o n g a b e l und einer, hach, K u r b e l), thematisch aber zeichnet Sorokin ein dystopisches, märchenhaftes, futuristisches Russland. Dem Leser begegnen Zwerge, Drogenhändler und Menschen, die zu Monstern mit Maulwurfsklauen mutieren. Das Buch sei nicht nur schön und hintergründig, wie Die Welt schreibt, sondern auch „schonungslos kritisch“ gegenüber den heutigen russischen Politobersten. Und die Süddeutsche Zeitung findet, Sorokin präsentiere Verqueres und Verblüffendes in einer „weißen Watte von Erzählkonvention und Schnee“. Na, wenn das nicht das Richtige ist für einen Winterabend auf dem Sofa.

Der Bär und die Nachtigall – „Gemütlichkeitsfaktor? 100 Prozent!“

Ich höre auch nochmal bei Kaliopi rein, die auf YouTube seit mehr als sechs Jahren sehr sympathisch, sehr lesegewandt über ihre Lieblingsbücher spricht. Auch sie hat sich gefragt, womit man es sich in den kalten Wochen auf der Lesecouch gemütlich machen kann, und empfiehlt etwa das hier (und es ist Zufall, dass wir mit diesem Buch doch glatt nochmal ins märchenhafte Russland reisen): Der Bär und die Nachtigall, von Katherine Arden, ein Fantasyroman, in dem die Märchen von Väterchen Frost und vom Winterkönig mit einer neuen Geschichte rund um einen Aberglauben verwoben werden. Das Buch spielt größtenteils in einem schneebedeckten Wald und passe nicht zuletzt deshalb wunderbar in die winterliche Jahreszeit, sagt Kaliopi: „Das habe ich ganz selten, dass ich diesen Gemütlichkeitsfaktor zu hundert Prozent spüre.“

Einheizerbuch Nummer 1: Lass die Drachen röhren — Flammengeküsst, The Fourth Wing

Ebenfalls aus der Reihe Fantasy, oder sollten wir besser sagen: „Romantasy“, ist dieser Schinken hier: „Flammengeküsst“, in meinen Augen ja ein Heizkissen auf literarisch. Im Instagram-Lesekreis der Literaturvermittlerin Maria-Christina Piwowarski, die den Bestseller experimentehalber in ihren diesjährigen Winter-Lese-Zirkel holte, wurde es gelobt und gefeiert. Die feuerspuckenden Drachen! (Ich sag ja: ein buchgewordener Einheizer), die Liebesgeschichte!, der Mut und die Kraft der (chronisch kranken, vermuteten einige…) Protagonistin! Ein Buch mit Sogwirkung, schrieb die Mehrheit. Ein Buch zum Einkuscheln an Wintertagen, ja. Zum Der-Welt-Entrücken, auch.

Einige wenige, und das sei auch hier zur Warnung gesagt, murrten, die Sprache sei nun wirklich nicht das Wahre, die Charaktere blieben denkwürdig flach, noch dazu störten, zumindest in der deutschen Übersetzung, Kommafehler beim Lesen. Ich gehöre zu diesen murrenden Geistern – aber da sich so viele Teilnehmerinnen der Lesegruppe in das Buch verliebt haben, wäre es unrecht, es hier nicht zu erwähnen. (Vielleicht in englisch lesen? Könnte helfen.)

Einheizerbuch Nr. 2: Feministischer Aufrührer „Die Wut, die bleibt“

Heizkissen literarisch, Möglichkeit 2: Vielleicht wollen wir uns ja auch gar nicht von Drachen einheizen lassen, sondern lieber von feministischen Gedanken? Sollte die innere Hitze nicht viel besser von Zorn kommen statt von einem Märchenwesen? Dann wäre das Buch „Die Wut, die bleibt“ von Mareike Fallwickl das Richtige. Viele Frauen schreiben auf Social Media, der Roman hätte ihnen die Augen geöffnet, sie im Innersten zum Schäumen gebracht. Die Geschichte thematisiert die allgegenwärtige Überlastung von Frauen, die an ihrer Care-Arbeit zu zerbrechen drohen.

Diese vielen Anforderungen an eine Frau, mögen sie laut sein oder still oder auch subtil geäußert, sie reißen und zerren an ihr: „All diese Dus schlagen ihr die Kraft aus dem Körper“, heißt es im Text. Und: „Sie ist nie allein, nicht einmal für Sekunden. Es ist nie still, nicht einmal zum Luftholen.“ Eine Abrechnung mit dem Patriarchat, die einen Kulturjournalisten sogar dazu bringt (wenn auch in Reaktion auf die Bühnenfassung des Buchs, aufgeführt 2023 bei den Salzburger Festspielen) zu schreiben: „Selten so geschämt, ein Mann zu sein.“ Let the heat burn.

In die Höhe fallen…

Oder darf es doch etwas Humorvolleres sein, wenn man so gemütlich in den Winterkissen liegt oder auf der beheizten Fensterbank hockt, den heißen Grog in der Hand? Wie wäre es mit Joachim Meyerhoff? Der Typ ist ein begnadeter Schauspieler, das werden sicher die meisten von Euch wissen. Ich habe ihn mal in Frankfurt gesehen, bei einem Gastspiel seines Stammhauses, des Wiener Burgtheaters: „Die Welt im Rücken“, nach dem Roman von Thomas Melle. Meyerhoff hat den ersten Satz gesprochen, und ich habe angefangen zu weinen. Nun gut, das ist vielleicht wieder eine andere Geschichte.

Meyerhoff ist aber auch Autor, auch das ein sehr guter, und seit Kurzem hat er ein weiteres Buch auf dem Markt, das heißt: „Man kann auch in die Höhe fallen“. Elke Heidenreich beschwärmt es innigst in ihrer Literaturschau auf spiegel-online. Lustige Anekdoten aus Meyerhoffs Schauspielerleben enthalte das Buch, aber auch viele Erzählungen über seine Mutter. „Es ist im Grunde ein Buch über die Mutter geworden“, sagt Heidenreich, „und es liest sich ganz wunderbar.“

…oder in die Tiefen der Psyche

Tja, und dann muss ich vielleicht doch nochmal Thomas Melle nennen, seine „Welt im Rücken“, dessen Anfangssatz „Ich möchte Ihnen von einem Verlust berichten“ mich später, bei der Aufführung im Schauspiel Frankfurt, beim Nochmalhören so umgehauen hat. Melle schildert die Geschichte seiner bipolaren Störung, seinen Umgang damit, und das ist so zauberhaft poetisch, dass es in Mark und Bein geht. Ist es ein Buch zum Einkuscheln in den letzten Winterwochen? Naja, wann, wenn nicht jetzt hat man Muße, sich mit Geisteswelten eines anderen Menschen zu befassen? Keine Ablenkung von außen, kein Geflirre, kein Getue. Nur die Geschichte dieses Mannes und man selbst. Doch, es ist zu empfehlen. Eigentlich immer. Und jetzt erst recht.

 

Musik

Dann legen wir mal auf

Wer ist – wie ich – noch im leichten Nachtaumel (also: Nach-Taumel, nix da Nacht-aumel, welcher Aumel-Eumel soll das auch sein?) des Weihnachtsklassikers „Tatsächlich Liebe“? Sieht Hugh Grant vor sich, Colin Firth und den fantastischen Alan Rickman? Und Emma Thompson, wie sie an Weihnachten fiebrig-vorfreudig (und allein) ihr Geschenk auspackt, und. Huff. Wie sie später die Decke des Ehebetts glattstreicht (was für eine Metapher), den Rücken strafft, sich (woher auch immer) die Contenance zurückholt, Joni Mitchell singt im Hintergrund, und sie tut es wunderschön. Und deshalb sei hier nicht nur der Song…

Both Sides Now

…empfohlen, als etwas melancholische Wintermusik, sondern gleich das ganze – gleichnamige – Album. Für die Jazzpianistin Johanna Summer ist dieses Joni-Mitchell-Album eine besondere Symbiose von sinfonischem Orchester mit Big Band, „fernab von jedem Kitsch“, wie sie in „Klassik Pop etc“, einer Sendung vom Deutschlandfunk, kürzlich sagte. Immer, wenn die Pianistin Joni Mitchell höre, sei sie beeindruckt von der Expressivität in deren Stimme. „In jedem Ton steckt die ganze Welt.“ Und schöner kann man es kaum sagen.

Aria

Auch wohltuend an Wintertagen: reine Instrumental-Saxophonmusik, am besten vom Meister des Fachs, Grover Washington Jr. Der 1999 verstorbene New Yorker Jazzmusiker ist vor allem bekannt für den Song „Two of us“ (und den wiederum kennen sicher einige aus der Kaffeewerbung). Kurz vor seinem Tod, er starb im Alter von 56 Jahren an einem Herzinfarkt, spielte er noch ein wunderbares Album ein, in dem er Opernarien interpretierte. Könnte süßlich geraten, ist aber tatsächlich richtig entspannende Musik. „Zarte Intonationen“ und „mutig gespielte Crescendos“ hört ein Amazon-Rezensent heraus, und ich kann nur zustimmen. Das Lakmé-Blumenduett ist mit auf der Platte, ebenso die aus meiner Sicht schönsten zwei Stücke der Perlenfischer („Au fond du temple saint“ und „Je crois entendre encore“) von George Bizet, und etwas La Bohème und Tosca. Der Schnee kann draußen fallen, drinnen wird’s einem warm.

The Melody at night, with you

Dritter Tipp von mir: „The melody at night, with you“, Keith Jarrett. Ähnlich wie Washington gibt sich auch Pianist Jarrett (bekannt vor allem für seine Improkonzerte, denkt nur an sein Köln-Konzert) hier einmal den Coverinterpretationen hin, greift traditionelle Songs und Balladen wie „Someone to watch over me“ oder „Shenandoah“ auf. Alle Stücke haben, so heißt es im Inlay, für ihn besondere Bedeutung; außerdem lese ich, dass er das Album seiner Frau Rose Anne gewidmet hat. Man hört die Liebe, finde ich. Gerade richtig für kalte Wintertage.

 

Bildschirm-Feelgood — die besten Filme und Serien

Gut, „Harry & Sally“, „Schlaflos in Seattle“, „Tatsächlich Liebe“ (siehe oben)“ haben wir nun vermutlich alle in den vergangenen vier, fünf, sechs Wochen durchgesuchtet. Diese Feelgood-Filme tun zwischen Plätzchenbacken und Adventskalenderöffnen einfach richtig gut, schaffen die richtige Weihnachtsstimmung. Was aber können wir jetzt noch einlegen oder streamen, wenn wir es uns kuschelig machen wollen? Hier ein paar Anregungen:

Gilmore Girls

Viele schwören auf die „Gilmore Girls“, diese Stars-Hollow-Szenerie, in der die schlimmste Katastrophe darin besteht, dass bei Luke’s der Kaffee ausgeht. Loreley liebt den Schnee, der Winter wird zelebriert, und selbst zu anderen Jahreszeiten umgibt die ganze Serie einen besonderen Glow.

British Touch und Wintergrusel

Ich empfehle aber auch: den britischen Touch von „Downton Abbey“, „The Crown“, „Victoria“ und – schon Patina angesetzt, aber geht immer noch als sehbarer Vorläufer von Downton Abbey durch – „Das Haus am Eaton Place“.

Zum winterlichen Weggruseln eignet sich „The Handmaid’s Tale“ (die brilliante Margaret Atwood!); auch die Wikingerserie „Vikings“ lässt sich gut im Winter wegbingen.

Mediathekgestöber

In der ÖRR-Mediathek bietet sich gerade „Große Erwartungen“ nach Charles Dickens an, zudem eine britische TV-Ausgabe von „Little Women“ in drei Teilen. Wer sich in dieser kalten Zeit verstärkt fürs Eislaufen interessiert und sich fragt, wie Katarina Witt eigentlich zu einem solchen Weltstar werden konnte, dem sei die Doku „Katarina Witt – Weltstar aus der DDR“ in der ARD-Mediathek empfohlen (über Kati Witt und diesen einen ihr so wichtigen Moment mit ihrem Papa hatte ich hier schon mal geschrieben; wer hätte geglaubt, dass ein Pfiff so das Herz wärmen kann?).

Und nochmal märchenhaft gerät unser Winternachmittag mit „Ronja Räubertochter“, einer schwedischen Neuverfilmung des Klassikers von Astrid Lindgren in sechs Teilen. Oder ihr seid von Die Wut, die bleibt (siehe oben) angefixt und wollt Euch weiter mit Frauen, besser eigentlich: Mutterthemen beschäftigen? Dann lege ich Euch den Film „Mutter“ ans Herz, mit der Schauspielwucht Anke Engelke. Und würde mich darüber freuen zu hören, wie ihr den Film empfandet. Meine Meinung dazu findet ihr hier, mitsamt ein paar echt spannenden Bemerkungen zum Film von Anke Engelke selbst.

 

Was sind Eure liebsten Einkuschel-Props, Bücher, Filme, Musikstücke, ohne die der Winter für Euch nicht komplett wäre? Schreibt’s mir gern unten in die Kommentare!

 

Überleben – mit Wohlfühlhormonen im Blut

„Überwintern ist immer auch Überleben“, sagt Katherine May in ihrem wunderbaren Buch, das ich euch ja oben schon so ans Herz gelegt hatte. Für Überleben braucht es aber ein gutes, tragfähiges Gefühlsnetz, ein Sprungtuch an Glückshormonen.

Den Neurotransmitter Oxytocin zum Beispiel, der ausgeschüttet wird, wenn wir eine Katze streicheln oder unseren Partner umarmen (her mit Dir, Du Mann, der’s wert ist). Mindestens genauso wichtig aber auch: Serotonin. Dieser Botenstoff macht uns gelassen, regelt Ängste herunter, lässt uns gechillt durch den Tag gehen.

Im Winter jedoch sind unsere Serotoninspiegel meist niedriger als im Sommer – uns fehlt einfach das Sonnenlicht. Und doch können wir etwas tun, ja, sogar in unserer Drinnie-Einkuschelphase. Der Trick: Halten wir unsere Hände in Bewegung und lassen sie wiederholende Tätigkeiten ausführen, wird in unserem Körper mehr Serotonin ausgeschüttet. Erforscht hat diesen Zusammenhang der inzwischen verstorbene Wissenschaftler Barry L. Jacobs von der Princeton University. Haben unsere Hände etwas – ruhig Monotones – zu tun, sind sie beschäftigt mit Häkeln, Stricken oder Malen, steigt unser Wohlbefinden. (Wer mehr darüber lesen will, hier haben Jacobs und sein Kollege ihre Überlegungen zusammengefasst).

„Unheimlich tröstlich“ an Winterabenden: Handarbeiten

Ich bin nun beherzt unbegabt in handwerklichem Tun. Lasse Strickmaschen fallen, steche mich mit der Nähnadel, male Wandfarbe überallhin, nur nicht an die Wand, ach, all das. Und doch wage ich einen Blick in Emma Mitchells Buch „Wunderbarer Winter“ (original: „Making Winter“), in dem die Handarbeitsexpertin „Überlebens“-Strategien – haha, auch sie benutzt den Begriff – für die kalte Jahreszeit vorstellt. Lauter kreative Projekte, die sie an langen Winterabenden in ihrem Dorf am Rande einer englischen Moorlandschaft als „unheimlich tröstlich“ empfindet, so schreibt sie selber (fein übersetzt: Bettina Stangler).

Da wären, auf Seite 18, gehäkelte Schalkragen mit eingearbeitetem Doldenmuster, das an Samenstände der Wilden Möhre erinnert. Da wäre ein Dekozweig auf Seite 60, für den Emma Blätter und Beeren aus festem Karton stanzt. Und da wäre die Wasserfarbenmalerei auf Seite 97, nicht mit großem motivischen Anspruch, einfach nur mit fein hingestrichenen Pinseltupfern oder -linien. „Mark Making“ nennt Emma, die auch als Handarbeitslehrerin arbeitet, diese Technik. Man tauche den Pinsel ins Wasser, anschließend in die Farbe, markiere feine Linien aufs Papier und tupfe, vielleicht schon in einer anderen Farbe, Punkte, Kreise, Blattformen dazu. Das alles in gleichförmigen, repetitiven (aha, da ist es wieder!) Handbewegungen. Am Ende mag sich daraus ein botanisches Muster ergeben. Vielleicht auch nicht. Aber darauf kommt es auch nicht an. Kurzer Check-in im Hormonhaushalt. Ist da Freude, ist da Frieden? Serotonin, aber hello, hello, welcome! (Emmas Buch ist auf Deutsch im Kösel-Verlag erschienen)

 

Yummy, muggelig: Bauchreibe-Rezepte für den Winter

Hätte ich diesen epischen Winter-in-awe!-Artikel vielleicht damit anfangen sollen? Mit Essen und Trinken? Was meint ihr? Zunächst den Magen füllen und dann erst die Seele (mit Worten, Tönen und Kunst)? Aber ach nein, Magen und Seele sind ja auch irgendwie eins.

Mein Lieblings-Food-to-go-to im Winter:

Suppen

Ich bin süchtig. Und sauer, wenn es in Cafés und Restaurants in dieser bestimmten muggeligen Zeit meist heißt: Tagessuppe: Kürbis. Oder auch: Karotten-Ingwer. I mean! Das soll vielleicht hip sein. Aber was ist aus der guten alten Brokkolisuppe geworden? Champignon-Rahm? Oder Lauch-Hack? Oder Blumenkooooohl?

Muss halt wieder Okka ran. Okka Rohd ist Journalistin und hat einst dem Süddeutschen Zeitung Magazin ihr Geheimrezept für eine Blumenkohlsuppe verraten, die sogar ihre Kinder, beim andächtigen Schlürfen, verstummen lässt. Ganz still werde es am Tisch, schreibt sie. Auch ich koche diese Suppe so gern (und gerade fällt mir ein, das habe ich hier schon erwähnt). Und weil sie so wundervoll ist, die Suppe, darf sie auch hier in der Winterauflistung nicht fehlen.

Dann wäre da: Soljanka. Nicht das, was in Gaststätten zwischen Rügen und Leipzig und Pirna oft auf den Speisekarten steht (wobei: nichts gegen diese Gerichte, auch super!), sondern eine Suppe nach dem Rezept einer Studienfreundin meiner Mutter. Ukrainische Soljanka!, erklärte die dann auch, als meine Mutter sie neulich anrief und nach dem Ursprung des Rezepts fragte. Ergattert 1970 von einem Gasthauswirt, bei dem ukrainische Soldaten ein und ausgingen, damals, im Sächsischen, in der Nähe des Mädchen-Internats… Oder vielleicht auch direkt von einem ukrainischen Soldaten selber… (So genau hat meine Mutter dann auch nicht nachgefragt.) Und guckt mal, heute kocht eine hessisch-frankfurterische Wintergebeutelte diese Suppe nach, bezirzt damit ihren Freund, den westfälischen, auch manchmal dessen Freunde, die aus Franken kommen und aus Friesland – und ja, so kann es doch gehen: Ost-West vereint im Schlürfen.

Also, here it comes, das Rezept:

Eine Brühe aus einer Rinderbeinscheibe und Wasser herstellen (ordentlich mit Suppengrün, Lorbeer, Pfefferkörnern). Lange brodeln lassen, damit die Brühe schön Kraft bekommt. Währenddessen den Weißkohl schneiden. Und zwar raspelartig, mit dem Messer schön eng an dem Gemüsefleisch entlang, damit feinste Streifen entstehen. Das dauert, zugegeben. Und nein, mit keiner Maschine wird es so fein wie per Hand. Haltet durch (und denkt ans Serotonin, siehe oben).
In einer Pfanne Frankfurter Würstchen, klein geschnitten, anbraten, beiseite stellen. In einem großen Topf die Weißkrautschnipsel anschmoren (meine Mutter nimmt Margarine, der Mann, der’s wert ist und ich nehmen eher Öl), Vorsicht: nicht anbraten lassen, nur schmoren, ständig rühren. Irgendwann, ihr werdet es merken, wird aus dem rohen Gemüse eine Art Schmorkraut, es wird weicher, bräunlicher, duftet gut (finden wir jedenfalls, die Nachbarn sehen es vielleicht anders, ähem). Dann gehört Tomatiges ran. Meine Mutter nimmt Ketchup. Der Mann und ich eher Tomatenmark, einen ordentlichen Quetsch aus der Tube. Schließlich die gebratenen Würstchen wieder unterheben (Ihr fragt euch, warum sie nicht zusammen mit dem Kraut gebraten werden? Ist ein Tipp meiner Mama. „Sonst gibt es einen Unfall, sag das deinen Lesern unbedingt!“, also hier habt ihr’s.) Parallel die Brühe abseihen, Fleisch aus der Beinscheibe klein schnippeln, Kraut-Würstchen-Mixi-Maxi mit der Brühe aufgießen, Fleischschnipsel dazu, Sahne dazu. Ordentlich mit Salz und Pfeffer und süßer Paprika abschmecken. Ukrainische Soljanka à la über Jahrzehnte-Stille Post-Rezept. Der Mann, der’s wert ist (und EIN Mal für EIN PAAR Wochen beruflich in Russland war), sagt: Das ist doch Schtschi, die typische russische Kohlsuppe! Ich sag dann: Du oller Besserwessi!, drück ihm ‘nen Kuss auf die Wange – und schlürfe gemütlich weiter.

Meister(-koch)haft

Na gut, man soll sich ja weiterentwickeln, also traue ich mich, einen Blick in die Winterküche zweier renommierter Köche zu werfen. Die „Jahreszeiten-Kochschule – Winter“ heißt das Buch von Richard Rauch und Katharina Seise (Brandstätter-Verlag). Bisserl abgehobener geht es hier schon zu als in meiner Kohl-Schnippel-Höhle. Aber Inspiration darf ja sein.

Zum Beispiel mit dem Gedanken, sich mal an eine Topinambur-Schaumsuppe heranzutrauen; diese tolle Knolle (die auch in unserem Gärtchen wächst) lässt sich mit anderem Wurzelgemüse (etwa Petersilienwurzel) schön anrösten, ablöschen (die zwei Profiköche empfehlen Malzbier) und mit Brühe aufgießen, pürieren. Aber auch: zu Chips verarbeiten. Hauchdünn schneiden, in Öl frittieren. Das habe ich schon ein paar Mal mit unserer kleinen Gartenausbeute gemacht – und muss sagen: Besser kriegt das Chio auch nicht hin. Der Köche Supertipp: die Chips vor dem Ölbad in Wasser einlegen, dann werden sie „prall und knackig“. Und mein Supertipp an dieser Stelle: Esst erst einmal nicht so viel davon. Topinambur hat so viele Ballaststoffe, dass Euer Darm gar nicht weiß, wie ihm geschieht, wenn ihr ihm das Gemüse zur weiteren, ja nun, Verarbeitung hinunterschickt. Wirklich. Ich mein’s gut mit euch. Und noch eine Idee bringen die zwei Köche: Karotten mit Haselnussschaum betröpfelt. Was haltet ihr von der Idee? Ich merke es mir. Vielleicht für nächste Woche. Vielleicht auch erst für den nächsten Winter.

Winter-Schleckerei (mit Tücken)

Und wenn’s süß werden soll? Hurray, ich wende mich nochmal an Emma. Die hat nämlich ein Rezept für eine warme-wohlige Wonne. Und schon ihre Einleitung zum Rezept fühlt sich so behaglich an, so verständnisvoll. Wahrscheinlich gehe es uns Leser*innen gerade so, schreibt sie: Der Winter hat uns die letzten Energiereserven geraubt, wir wollen uns nur noch verkriechen, und dabei doch bitte eine süße Leckerei schmatzen. „Aber die Vorstellung, unzählige Zutaten abzuwiegen, miteinander zu verrühren, und dann abzuwarten, bis der Kuchen fertig gebacken ist, schreckt einen ab, weil das einfach zu lange dauert.“ Genau, Emma, du verstehst uns, du bist eine von uns. Die Rettung aus ihrer Winter-Wunder-Stube: ein zartschmelzendes (Himmel!) Tassen (echt?)-Schokoladen(jajajaaaa)-Küchlein (yummy!). Mehl, Kakaopulver, Backpulver, Zucker, Öl, Milch, Prise Salz verrühren, in eine Tasse, die in die Mikrowelle, dann genießen (so grob, das wahre Rezept ist dann doch etwas komplexer). Lava-Cake heißt das wohl auch. „Gibt nur ein kleines Problem“, brummt der Mann neben mir, als ich ihm bäckchenglühend davon erzähle, schon das Mehl aus dem Regal zerre, die Tassen im Küchenschrank kritisch auf ihre Größe hin beäuge. „Wir haben keine Mikrowelle.“
Oh.
Hm.
Ich wäge meine Möglichkeiten ab. Checke meine möglichen Komplizen aus: Reiskocher? Airfryer? Backofen? Was sagt ihr drei? Sie gucken nur unschuldig und fühlen sich nicht zuständig. Ich blättere nochmal bei Emma. I mean. Wie kann es sein, dass in ihrer Ach-wir-sind-alle-so-gemütlich-Cottage-Keramik-Wolle-Traum-Welt eine MIKROWELLE rumsteht? Ich erwarte einen OFEN à la Astrid-Lindgren-Michel-Lönneberga! „War das nicht ein Suppentopf?“, fragt der Mann, und das hilft auch nicht.

Blättern bei Emma also. Aber nein, sie bietet keine Ofenalternative. Auch nicht online, wo sie das Rezept schon einmal verraten hatte. (Hier kommt ihr über einen kleinen Umweg doch noch drauf – oder auch hier (hochgeladen von der Bloggerin Yeska von LobsterandSwan) – ach, und ich sage einfach: Gönnt euch.)

Mich Mikrowellenlose rettet derweil Freesi, meine liebe Freundin, die in Küchendingen immer ein bisschen hipper unterwegs ist. „Romelly“, sagt sie, „Liebes, das mit dem Lava-Cake im Ofen ging doch vor Monaten, ach was, JAHREN schon viral!“ Vermutlich war ich Old-Schoolerelly da gerade noch mit Toast Hawaii beschäftigt oder mit Lava-Lampen statt Lava-Cake, ich weiß es nicht.

Freesi, selber ohne Mikrowelle, erbarmt sich meiner, schickt mir Rezeptlink eins und Rezeptlink zwei (vegan!), und als nächstes backe ich wohl einen Tassen-Lava-Cake im Ofen, und wenn der nicht schmeckt, WENN DER DANN NICHT SCHMECKT!, räume ich des Mannes Einmal-im-Jahr-bin-ich-hier-Grillmaster-Grill weg und stelle da so ein (leider nur in Makrogröße verfügbares) Mikrowellendings hin. Soll er makro-meckern, der Mann. Soll er Lava schäumen. Ich löffele dann. Zwinkere Airfryer, Ofen, Reiskocher zu. Ihr habt Pause, sag ich dann noch. Bevor ich schwelge. Schwärme. Schweige.

Welche Winterrezepte lassen euch warm ums Herz werden? Welche kreativen Hobbys lassen Euch den Winter lieben? Was tut Euch in der kalten Jahreszeit so gut, dass sie ruhig ein bisschen länger dauern könnte?