Am liebsten würde ich mir in diesen letzten Winter-, den ersten Frühlingswochen eine gedankliche Übergangsjacke anziehen. Einen Umhang, die mich sicher führt von der spätwinterlichen Einigel-Kuschel-Phase in Richtung Aufblühen und Aus-sich-rausgehen, überhaupt eigentlich: zum Aus-der-Wohnung-gehen.
Da draußen locken die ersten Vögelrufe, das Rotkehlchen, die Singdrossel, die Blaumeise (dank der großartigen Vogelgesang-App Merlin weiß ich endlich auch die Namen meiner kleinen Zirpser :-)), die Schneeglöckchen schauen raus, die Sonne wärmt schon etwas mehr als noch vor einigen Wochen.
Aber noch fällt es mir schwer, mein Winterkleid abzuwerfen.
MODE:
Goodbye Grau und Grobstrick
Ich inspiziere meinen Schrank, noch voll mit Winter-Woll-Klamotten. Ich sehe sehr viel schwarz und grau und beige, nur ein bisschen Lila blitzt dazwischen hervor und etwas Weinrot. Mehr Farbe wagen – wann, wenn nicht jetzt.
Carola Nahnsen sagt sowieso: Hör sofort auf, Schwarz zu tragen! Das meint die Stylistin nicht nur mit Blick auf den nahenden Frühling, sondern ganz generell: Dunkelblau kann die bessere Alternative zu Schwarz sein. Es sei weicher, bringe Frische ins Gesicht, schmeichele vielen Hauttypen – sogar so sehr, dass wir nicht so viel Make-up brauchten. Ich bin Carola begegnet, weil sie neulich Ildiko von Kürthy, der sympathischsten Autorin und Podcasterin („Frauenstimmen“) überhaupt, einen privaten Kleiderschrank-Check gegeben hat. Vor – naja, fast – laufender Kamera.
Solche Stylingexpertinnen schüchtern mich ja immer ein bisschen ein, weil ich denke: Die laufen ja auch auf unseren Straßen herum, oder? Die checken uns aus, checken sicher auch mich, wenn ich doch nur arglos zum nächsten Rewe laufe. Denken sicher: Warum trägt die nur so einen Mantel!, weiß sie nicht, dass dieses Beige sie blass macht?! Und dann diese Turnschuhe dazu!! Ja, hat sie denn gar kein Stilbewusstsein?
Ahh, kennt ihr so checkende Blicke? Vor allem von anderen Frauen? Ich vermute ein bisschen, dass Carola solche Blicke aussendet, wenn sie durch die Straßen von Zypern wandert (dort wohnt sie nämlich), und mag sie erst mal, sorry Carola, – nicht wirklich. Jede sollte doch das tragen, was sie mag oder was ihr – ähem – eben gerade in die Hände fällt, wenn sie den Schrank aufmacht, denke ich. Spüre den Trotz in mir aufwallen. Den Widerstand. Ein großes inneres MENNO.
Kleiderschrank-Check auf Carola-Art
Hm.
Aber vermutlich geht es genau darum.
Bewusst Kleidung auszuwählen. Oder auch: So viel Vorarbeit zu leisten, dass wir in allem, was wir aus dem Schrank ziehen, auch sofort gut aussehen, fast von alleine. Schlafwandlerisch. Und das, hey, sollten wir es uns ja wohl wert sein. So eine Kleiderschrankbestandsaufnahme, das verrät uns Carola hier (unbeauftragte Werbung, wie überhaupt alles hier in diesem Post), ist gar nicht so schwer.
Zunächst sollten wir nach Kategorien vorgehen, sagt sie. Also nicht alles aus dem Schrank zerren und aufs Bett werfen (ich), wühlen, verwerfen, verzweifeln (auch ich), sondern in Clustern vorgehen (ich – in der Zukunft. Schwör! Also. Wenns gut läuft).
Also: Alle Röcke.
Pause.
Alle Hosen.
Pause.
Dann die Oberteile.
So als Beispiel.
Und überhaupt: Nicht alle Kleidung auf einmal aus den Schränken ziehen. Sondern Schublade für Schublade, Schrankabteil für Schrankabteil vorgehen. Und dann die große Marie-Kondo-Frage stellen: Macht mich diese Bluse, dieser Rock glücklich? Und was ist mit dem Mantel, dem beigen, blässezaubernden (jaaa, Carola hätte ja recht) Wollstück?
Ildiko von Kürthy: Brav, brave – und hinfort mit dem Fürstenberg-Kleid!
Ich bin ja vor allem mit einer Sache nicht glücklich: mit dieser Kondo-Frage nämlich. Es macht dich nicht glücklich, also weg damit? Pfüüüh. Wie schnell wirft man doch etwas weg, was einen IM MOMENT vielleicht nicht glücklich macht, aber doch vielleicht IN ZWEI JAHREN WIEDER? (Hört ihr, wie ich lauter werde? Schon vorab, im Geiste, um meinen beigen Mantel kämpfe?) Oder: was einem – haha – dann vielleicht endlich wieder passt (schon werde ich etwas kleinlauter…). Weil man endlich drei Mal die Woche laufen war, ja, auch im Winter, und den Gnocchi mit Trüffelfüllung (dazu komm ich noch…) abgeschworen hat? Oder wenn es doch teuer war, das gute Stück, und man es DOCH JETZT NICHT EINFACH SO WEGGEBEN kann?
Und plötzlich stehe ich vor meinem Schrank. Befühle den Grobstrick. Die Wolle. Den derben Stoff meiner Winterröcke. Soll ich euch wirklich schon adieu sagen?
Ildiko von Kürthy jedenfalls war brav und brave zugleich, hat sich von einem sündhaft schicken (und wohl auch ebenso teuren) Diane-von-Fürstenberg-Kleid (rot, formidabler Schnitt, zu allen Begebenheiten passend) getrennt. Tut nichts für sie, sagt sie. Sagt wohl auch Carola. Selten getragen. Also fort damit.
Ich fahre den Rechner runter, stelle mich vor meinen eigenen Schrank. Befühle den Grobstrick. Die Wolle. Den derben Stoff meiner Winterröcke. Checke meine Wetter-App. Da, in ein paar Tagen: Winter-Comeback! 10 Grad! Tagsüber! Wolken! Grau! Grobstrickwetter!
Ich mache – fürs Erste – die Schranktür zu. Sie dürfen noch ein bisschen bleiben, die Winterbegleiter. Nur den Mantel, den beigen, schiebe ich in die hinterste Ecke.
ERNÄHRUNG:
Das große innere Auftanken
Bei Aldi stehen die letzten Reste des Winterverkaufs herum, ich erspähe noch vier Packungen dieser Saison-Gnocchis mit Trüffelfüllung, die ich in der Weihnachtszeit so gern esse (und die dafür sorgen, dass ich liebgewonnene hautenge Kleider ganz in Marie-Kondo-Manier nun wohl bald weggeben darf, ja, vielen Dank auch, Aldi) — jetzt kann ich das Zeug nicht mehr sehen.
Her mit dem Gemüse!
Was bei meiner Kleidung noch geht (die dunklen, derben Stoffe weiter an mir dulden, ja, sogar immer noch wertschätzen können), klappt beim Essen nicht mehr. Weg mit Alpenschmaus-Gedöns und Kürbissuppengläsern. Ich laufe lieber rüber zum großen Gemüsestreifen. Packe Avocado, Kiwis, Brokkoli und, ihr lest ganz recht, Stangensellerie in meinen Korb. Mir steht langsam der Sinn nach Gutem, nach Grünem in meinem Magen, nach Nährstoffen in meinem Blut. Ganz intuitiv packe ich alles ein, was mir inneres Auftanken verspricht.
Zuhause schaue ich meine Mitbringsel ratlos an. Was mache ich nun mit euch?
Sellerie, sellera, sellero
In den USA gibt es einen Typen, Anthony William heißt er, der ist eine Art Selleriegott. Ich weiß noch, wie eine Heilpraktikerin mir vor Jahren von ihm erzählte, mir sein Buch – damals gab es das nur in englischer Originalfassung, so frisch war der Hype – ans Herz legte. Mit Selleriesaft, so raunte sie, könne man viel heilen, sie probiere das jetzt jedenfalls mal aus.
Ich rannte gleich zu Edeka, Gemüseabteilung, krallte mir eine dieser hellbraunen Knollen, die ein bisschen aussehen wie Trolle bei Ronja Räubertochter oder Wilsoooon!! in Cast Away, lief heim – und stellte fest, als ich mir Anthony Williams Buch online durchlas, dass ich: das falsche Gemüse eingepackt hatte. STANGENsellerie it is, propagiert Anthony. Nix da Knolle. Erst lesen, Romelly, bevor du trollig-drollig-falsches Gemüse einsackst.
Nun, etwas an Anthony William erscheint mir seltsam sinister, auch wenn (oder gerade weil) um ihn in den USA – und später auch in Deutschland – ein Hype entbrannt ist. Er nennt sich, ich stutze, Medical Medium, oha. Und erzählt in seinem Buch davon, dass ihm als Kind eine Art Geist erschienen sei und ihm gesagt habe, die Großmutter möge zum Arzt gehen, sie sei erkrankt. Schon bin ich kurz davor, das digitale Buch zuzuklicken. Und nun, schreibt Anthony weiter, und mein Finger schwebt bedrohlich über der Klick-Weg-Taste, verrate ihm eben dieser Geist Diagnosen und mögliche Behandlungswege (die Großmutter ging tatsächlich zum Arzt, hatte eine ernste Krankheit, konnte behandelt werden, so Williams Legende)…
Uh.
Klick.
Outta here.
Oh, Anthony, das muss ich erst mal verkraften. Ich bin ja wirklich offen für Gedanken, die über sture und rationale Wissenschaft hinausgehen, glaube an diese unsichtbaren Fäden, die uns verbinden, und dass da mehr ist, als der Blick durchs Mikroskop oder Teleskop uns zeigen kann. Aber hier war ich raus.
Ich bin ja wirklich offen für Gedanken, die über sture und rationale Wissenschaft hinausgehen, glaube an diese unsichtbaren Fäden, die uns verbinden… Aber. Aber.
Nur seine Ernährungsregeln habe ich mir genauer angeschaut.
Da wäre etwa ein:
…für den wilde Blaubeeren, Bananen, Orange, Spirulina, Gerstengraspulver, Algenflocken (Dulse) und frischer Koriander miteinander vermixt werden. Das Gemisch, täglich getrunken, spült angeblich langfristig Schwermetalle aus dem Körper. Hier gehts zum Rezept: (Ohne Gewähr. Wirklich)
https://www.medicalmedium.com/blog/heavy-metal-detox-smoothie
Und dann gibt es eben den berühmten:
Der gehöre jedoch bitte nicht als Smoothie, sondern als Saftextrakt (großes Aufrufezeichen von Anthony!) getrunken – ordentlich gezwirbelt und gesqueezed aus den grünen Stauden. Ganze 450 Milliliter täglich. Ich kaufte mir dafür extra einen Entsafter (den ich hier nicht verlinke, weil ich, obwohl er recht okay ist, ihn nicht wirklich superduper weiter empfehlen kann. Vielleicht kaufe ich mir mal einen neuen, und wer einen Rat hat, gern hinein damit in die Kommentare.), warf ihn gut zehn Tage lang jeden Morgen an. Habe ich was gemerkt? Ich sage es so: Ich hatte das Gefühl, dass es mir gut tut. Der Saft schmeckt leicht salzig, nahrhaft, lecker sogar. Ich kann nun nicht sagen, dass ich in den zehn Tagen sehr viel fitter war als sonst. Und natürlich muss man ihn länger trinken. Aber sagen sie das nicht immer? Und hält es je jemand durch? Ich frage für eine Freundin.
All dies, also einen lila Saft, in den ich das, was ich so an Anthonys Zutaten so halbwegs da habe (schier unmöglich, alles im Schrank zu haben, jedenfalls für mich), hineinwerfe, und auch eben dieses Selleriegebräu gönne ich mir ab und an. Dann, wenn der Winter mich langsam aus den Klauen lässt, ich etwas Grünes an meine Seele — und an meine Magensäfte lassen möchte.
Und dann wäre da noch: Brokkoli
Hach, manchmal denke ich ja, Brokkoli macht mich von innen glücklich. Also – nicht direkt beim Genuss, nein. Sondern Tage nach dem Verzehr noch. Macht mich gelassen, unbeschwert, irgendwie röschenhaft beschwingt.
Kann aber auch an den anderen Zutaten liegen, die in meinem liebsten Brokkoli-Gericht, das mir Ella Woodward vor einer ganzen Weile zugeflüstert hat, so zusammenkommen.
Ella hat vor mehr als zehn Jahren einen Blog gestartet (und so sah der früher mal aus), um ihre Krankengeschichte und ihre Suche nach „heilender Nahrung“ festzuhalten. Das, was heute so oft als „Gottesnahrung“ bezeichnet wird, hier und dort trendet, hat Ella schon ganz früh für sich ausprobiert. Und zwar wirklich: herumprobiert, Rezept für Rezept kreiert. Heute noch finden sich Spuren von diesen Versuchen in ihren Büchern, zumindest in den ersten Auflagen: Statt Gramm- oder Milliliter-Angaben steht dort zum Beispiel: ein Becher, zwei Becher. Sie habe nie abgemessen, erklärt sie, sondern einfach so mit Bechern voll Nüssen, Gemüsestückchen, Samen hantiert. (Ähnlich übrigens wie Myra Snöflinga, von der ich Euch hier ja schon erzählt habe).
Ellas Buch, ihr erstes, sprang mich genau in dem Moment in einer Buchhandlung an, als ich es brauchte. Auch damals war beginnender Frühling, ich fühlte mich seltsam Weihnachtsstollen-Faschingskreppl-matt, No-Wintersports-ausgelaugt, fern aller Nährstoffe, fern aller Fitness.
Dank Ella lernte ich Energyballs kennen (heute in diversen Abwandlungen in jedem Eat-healthy-Blog zu finden) und eben dieses Embracing-Brokkoli-Rezept.
In Kurzform (und etwas Romelly-abgewandelt): Brokkoli und Zucchini (sehr) klein schneiden, mit ordentlich Olivenöl in eine Pfanne geben (ich nehme dafür einen Wok), Soja- oder Tamarisauce dazu, ein paar Minuten (nicht länger!) sautieren.
i Sautieren ist eine Zubereitungsart, die helfen soll, möglichst viele Nährstoffe in Gemüse zu erhalten. i
In einer anderen Pfanne zuvor (gut gewaschenen!) Quinoa zusammen mit heißem Wasser, Zitronensaft und Tamarisauce garen, mit dem Gemüse und etwas extra Zitrone und Tahin zusammenrühren.
Von diesem Gericht habe ich mich quasi in jenem Frühjahr und Sommer ernährt, selten war ich wacher und fitter.
Was in Brokkoli so alles drin steckt?…
Ich krame nochmal Ellas Buch heraus, sehe darüber hinweg, wie fleckig es bereits ist, hier ein alter Sprenkel Sojasauce von 2016, dort ein Spritzer Zitrone, papiertrunken erhalten seit 2017 — und koche erneut ihr Rezept. Es schmeckt, auch Jahre später, noch immer, trägt das Versprechen gesunder Ernährung in sich, das Versprechen eines kraftstrotzenden Frühlings. Und ich freue mich schon jetzt darauf, die nächsten Tage röschenhaft lockerleicht durch die Gegend zu schwingen.
Good to know: Auch online verrät Ella (die zwischenzeitlich aus ihren Rezepten, Kochservices und eigenen Lebensmitteln eine florierendes Unternehmen aufgebaut hat und auch schon nicht mehr Woodward, sondern, seit ihrer Heirat mit dem smarten Matthew – pheeeiiuuh, hört ihr mich durch die Zähne pfeifen? – nun Mills heißt) einige Rezepte, aber nur noch gegen Gebühr. Oh, das war ein langer Satz, verzeiht.
…und mein Körper atmet auf
Mein Lieblingssmoothie aber, über den nichts geht, obwohl er, vielleicht sogar WEIL er so einfach ist, funktioniert so: Romanasalat (oder auch: Rööömersalat – für die Leute, die auch „Rauke“ statt „Rucola“ sagen oder „Rapunzel“- statt „Feldsalat“), gemixt mit Banane.
Wirklich, mehr braucht es nicht. Man kann auch Spinat nehmen, klar, statt Banane auch Mango (die Deluxe-Variante), manchmal streue ich mir noch Proteinpulver oder Haferkleie mit hinein, Hanfsamen oder Leinsamen (dann schmeckt es aber körniger, nicht mehr so frisch), haue eine Erdbeere rein, wenn ich eine habe, oder Wildkräuter vom Balkon. Aber eigentlich ist das alles nur Zubrot. Allein Romana und Banane, und mein Körper atmet auf.
Schönheit (oder das, was wir so nennen)
Gut, der Körper atmet auf. Aber zeigt sich das auch im Außen? Aber ja, sagt jedenfalls Olga, eine Instagrambekanntschaft. Alles, was wir uns so Gutes tun, ist Olga überzeugt, honorieren unser Körper, unser Gesicht und unsere Haut mit — Schönheit. Mit Glow und Wow.
Lasst Natürlichkeit the New Normal sein!
Und ich denke an Dee aus den Niederlanden, die so wunderbar Lust macht auf fröhliche Farben und auf frische Outfits (ha, womit wir wieder beim Thema siehe oben wären), gern mit Leoprint oder Polka Dots, die aber mindestens ebenso häufig – oft mit freizügigen Selbstportraits – mit ordentlicher Mittelfingerattitude darauf hinweist, dass Cellulite nun mal weit verbreitet ist, Fettröllchen normal sind, Gesichtsfalten (und nicht nur dort) eben entstehen, wenn man (länger) lebt.
Und das wollen wir ja alle. Länger leben.
Natürlichkeit is the new normal, sagen diese tollen Frauen. Traut euch, ihr selbst zu sein! Mit Dellen und Röllchen und Köchelchen, mit allem, was andere als zu groß, zu klein, zu dürr, zu dünn, zu dick, zu asymetrisch, zu abnormal, zu „gemacht“, zu „nicht-gemacht“, als zu viel, zu wenig, zu you name it outcallen.
Callt zurück, sagen diese Frauen, ruft: This is me!
Bei all dieser Mittelfingerattitude, allem „Ich-akzeptiere-mich-wie-ich-bin“ schaue ich immer wieder staunend zu Olga rüber, wie sie da so aus ihrer Sauerland-Oase gelassen über Schönheit postet. Bei Olga von Stein, so heißt die Beautyinfluencerin mit vollständigem Namen, geht es jedoch nicht um Schminke oder den neuesten Hack, glatte Strähnen in Farrah-Fawcett-Locken zu verwandeln. Es geht vor allem um: Selbstliebe. Nicht so sehr um Außenwirkung, um Gefallen um jeden Preis. Sondern um die Beschäftigung mit sich selbst. Um Selfcare – statt Care about what Thomas, Julius oder Manfred might say.
Dann fangen wir automatisch an zu strahlen
Es zählt, dass wir uns selber Gutes tun. „Dann fangen wir automatisch an zu strahlen“, sagt Olga. Ihr liebstes Ritual ist das Trockenschrubben ihrer Beine mit einer besonderen immens borstig aussehenden Kupferdrahtbürste. Das schabe Hautschüppchen ab und sorge für gute Durchblutung. Zudem massiert die vierfache Mutter regelmäßig ihr Gesicht, streicht dabei Lymphflüssigkeit dorthin, wo sie hingehört (weil sie dort verarbeitet werden kann): zu den Lymphknoten nämlich, klopft und knetet und zieht die Gesichtsmuskeln weich, weil sich dann die Gesichtszüge entspannen und Falten – dann doch – gemildert werden können. Das macht sie vor laufender Handykamera, regelmäßig auch für eine zahlende Gemeinde in einem eigenen kleinen digitalen Beautyclub (auch hier übrigens, wie überall in diesem Beitrag: unbeauftragte Werbung).
Olga setzt nicht auf teure Cremes oder Luxus-Fluids. Alles nicht nötig, sagt sie. Es brauche nur unsere Hände und etwas Feingefühl, je nach Art der Massage vielleicht ein, zwei Tropfen Öl (auch da reicht eine Drogerieeigenmarke) – und Konsistenz, Dranbleiben. Abends trägt Olga zusätzlich noch Tapes auf, die wir Unwissende eher aus dem Sport kennen: textile Streifen, die in den Turnhallen dieses Landes dazu dienen, die Bänder zu stabilisieren oder die Muskeln zu entspannen.
Im Gesicht passiere damit ähnliches, erklärt Olga (also: nichts mit Bändern, haha, aber die Muskeln, Leute, die Muskeln!). Das Gewebe setzt sich auf die Haut und den darunterliegenden Muskel, massiert ihn bei all unseren kleinen Mimikbewegungen, die wir in der Nacht so absolvieren (und das sind viele, sagt Olga). Der Effekt? Ein ausgeschlafenes Gesicht am nächsten Morgen, ein Gesicht wie unter Insta-Filter. Nun ja, manchmal. „Es braucht etwas Zeit, bis sich die ersten Effekte auch langfristig zeigen“, sagt Olga in einem ihrer vielen Videos.
Ich kann nun glauben oder nicht, dass regelmäßiges Gesichtbekleben (in der Szene heißt das korrekt: Beautytaping) die Falten glättet (es sei gesagt: viele Frauen bestätigen die Wirkung), dass meine Denkerfalten verschwinden, wenn ich nur regelmäßig die Stirnhaut fingerbreit anhebe und nach oben knete („wenn sie sich noch nicht abhebt, ist sie innerlich noch zu verklebt“, sagt Olga). Und ja, man kann über all das natürlich auch skeptisch die Augen rollen und zweifelnd die Stirn runzeln (und dabei doch nur noch mehr Falten kriegen…!) – aber ich weiß, was mir gut tut in dieser Winter-Frühlings-noch-bibbert-man-aber-bald-gehts-ans-Aufblühen-Zeit: bei Olga reinschauen. Staunen, wie sie geduldig mit den Händen über ihr Gesicht streicht, ein ums andere Mal. Dabei zusehen, wie sie sich einen „hautfreundlichen“ Salat macht (was für mich das Romanagrün, ist für sie die Petersilie) oder eine DIY-Maske aus Hefe. Wie sie bunte, abstrakte Bilder malt, erst schwarze Kringel und diese dann bunt ausfüllt, Neurographik nennt man das (und vielleicht mache ich dazu auch nochmal einen Artikel), und auch das entspannt. Beauty ist bei Olga, so kommt es mir vor, eher ein Begleitprodukt von Selbstliebe. Sie ist selber ständig auf der Suche nach dem, was ihr gut tut, aber auf eine bodenhaftende, locker-charmante, ehrliche Art. Wie die nette Nachbarin von nebenan, die ab und zu ein Stück selbstgebackenen Kuchen vorbeibringt.
Stopp. Warum eigentlich Olga hier in diesem Post? Wie ist sie denn hier hineingerutscht? Ich überlege. Beauty, okay. Frühlingsfrische, ja. Aber hey, jetzt hab ich’s: Weil Übergang, und darin befinden wir uns ja gerade, auch Wachsen bedeutet, Lernen, Inspiration durch andere – ach, ich sag’s wie’s ist: Abschauen! bei anderen.
Womit gehe ich in Resonanz?
Dieser Übergang zwischen Winter und Frühling ist vielleicht auch eine Zeit, vielleicht die beste überhaupt, zu überlegen: Was fehlt mir? Wovon möchte ich mehr in diesem Jahr? Womit gehe ich so sehr in Resonanz, dass es mir doch vor allem widerspiegelt: Hiervon darfst Du Dir ruhig eine Scheibe abschneiden!
— ein großes Stück vom Selleriesstrunk, ha! auf die Gesundheit, die doch bitte florieren soll in diesem Jahr!,
— ein Stück von der Rolle Gesichtstape, das ich mir dann behende und zärtlich auf die Stirn pappe, da! auf die Entspannung!,
– und vielleicht auch, mit raschem Schnitt, schnipp-schnapp, das Etikett vom neuen Kleid trenne. Dunkelblau, Carola, hörst Du?, dunkelblaaau mit rosa Polka Dots (Dee, are you with me?)! Es kaschiert nicht meinen Bauch, das Kleid, nein, aber das ist mir dank der Unshame-Bilder von Louisa Dellert (Schmatz geht raus!) auch egal. Der Rock fliegt durch die Luft, wenn ich mich drehe, erst vorsichtig, dann immer schneller, und schneller, und schneller – und huch, bin
ich
im
Frühling.
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