Da bin ich also wieder. Eben noch lief ich im Greenwich Village herum, hörte im nächtlichen Washington Square Park Dave, dem Saxophonspieler zu, beobachtete die Leute, die versuchten, mit Riesenbändern und Lauge Seifenblasen zu formen, schaute abwechselnd auf den Freedom Tower und aufs Empire State Building. Und in dieser abendlichen seltsam weltentrückten Alice-im-Wunderland-Stimmung nahm ich Abschied. Sagte mir immer wieder: letzter Abend, Ro, letzter Abend.
Und dann ging alles so fix. Taxi, Flughafen1, Mini-Flieger, Flughafen2, Mega-Flieger –> da. So halb zumindest, denn: Jet Lag, grrrr. Den weggepustet, und nun: angekommen, so richtig.
Das Verrückte: Ich habe mich während der ganzen Rückreise auf Deutschland gefreut, auf Frankfurt, auf, naja, sagen wir es doch: auf zu Hause. Habe nicht – wie sonst immer bei US-Rückflügen – geschluchzt, ich wolle doch hier bleiben, habe noch nicht mal wehmütig, sondern eher zärtlich lächelnd nach unten geschaut, als der Flieger (der Mini-Flieger) beim Start eine große Flugrunde über New York drehte. Wie ein kleines Abschiedsgeschenk war das, ein unerwarteter freier Rundflug über meine Stadt, mit Blick auf den East River, den Central Park, auf Harlem, den Hudson. Ja klar, mir kullerten Tränen übers Gesicht. Aber weniger aus Trauer über die abgelaufene Zeit oder meine Abreise. Vielmehr aus Dankbarkeit und Überwältigung, dass ich das tatsächlich gemacht habe. Mich für mehr als zwei Monate rausgekegelt habe aus meinem sonstigen Alltagsleben, mir einen kleinen Traum erfüllt habe, bevor es vielleicht zu spät ist. (Soll heißen: Bevor ich vielleicht irgendwann in nem deutschen Vorort-Reihenhaus hocke, mit drei Kiddies und nem Sieben-Uhr-Nachhausekomm-Mann. Nur so ne Stepford-Szenerie, ich weiß mich schon zu wehren, keine Sorge). Dass ich fünf Wochen in dieser grandiosen Stadt verleben, tolle Dinge erleben, mich ausleben durfte. Ich bin ihr so viel näher gekommen, habe ich zumindest das Gefühl, weiß so viel mehr, kenne so viel mehr. Ich bin jetzt auf Du und Du mit New York.
Gleichwohl: Es tut gut, wieder daheim zu sein. Ich genieße die Ruhe (jaa!!) Frankfurts, genieße die Straßen, die Häuser, die mir alle so vertraut sind wie mir New Yorks Gebäude auch in fünf Wochen nicht werden konnten.
Aber da ist noch mehr: Ich stelle fest, dass mich New York gerade seltsam kalt lässt. Ich möchte nicht über die Stadt nachdenken, möchte nichts über sie lesen, keine New York-Filme sehen. Ich kann nichts mehr aufnehmen, will nichts verknüpfen, keine Assoziationen schaffen. Will einfach nur meine Ruhe. Ich müsste noch ein wenig an meinem NY-Blog arbeiten, hier und da Details ergänzen oder Fotos austauschen, aber auch das fällt mir schwer. Ich kann mich auch kaum noch an Dinge erinnern, bin so vollgefressen mit Eindrücken, dass jeder Versuch, Einzelheiten abzurufen, in, ja, Übelkeit endet. „Du bist eben ein bisschen wie unter Schock“, sagt eine gute Freundin, die – verständlicherweise – eine Aufzählung aller Dinge erwartete, die ich so in New York gemacht hatte. Und die ich ihr nur unter Mühe bieten konnte.
Ja, Schock, kann schon sein. Irgendwas in mir blendet New York jedenfalls gerade aus, blockiert den Zugang zu den Erinnerungen. Wahrscheinlich muss es in mir noch arbeiten, müssen all die Eindrücke noch behutsam aufgesammelt, beäugt, gewichtet und verstaut werden. An sauber markierten und hübsch ordentlich dafür vorgesehenen Plätzen (wir sind eben wieder in Deutschland). Und während es also in mir gärt und rumpelt und verdaut (oh mann, sorry für die unappetitlichen Metaphern, weiß auch nicht, wie ich in dieses Bild rutschen konnte), während es also in mir arbeitet, halte ich still. Bin ganz leise. Vertraue darauf, dass mein Unterbewusstsein schon etwas mit all den Impressionen anzufangen weiß und nichts hinunter, nichts in Vergessenheit fallen lässt. Und dass ich dann, irgendwann, vorsichtig wieder einen Blick darauf werfen kann – und sagen kann: Hey, genau, da war ich ja auch! Und das hab ich ja auch noch gemacht! Und das habe ich auch gesehen! Und mit dem hab ich mich ja auch unterhalten! Und dann hab ich noch die kennengelernt! Und dann bin ich noch dorthin gefahren! Und da…
Genau. Das wird kommen. Aber bis dahin, bitte: pssssssst.
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