Ich bin da neulich in so eine Sphäre gestolpert, eine Blogosphäre. Lauter Frauen (ein paar Männer, so glaube ich, sind auch dabei), die Blogs betreiben, sich darin gegenseitig pushen, sich austauschen über Plug-ins, Block-Editors, Blogfeatures, über die Frage, ob nun WordPress besser ist oder Wix, Elementor oder Editor XYZ. Eine gute vertrauensvolle Stimmung herrscht hier, viel Zuspruch und auch viel Kreativität. Das liegt zu einem sehr großen Teil an Judith, Superbloggerin, die die Community (unter dem Namen The Content Society (keine Werbung)) ins Leben gerufen hat und über allem wacht.
Exotin? Kann ich!
So richtig, das schicke ich gleich vorweg, passe ich hier nicht rein, aber das ist ja für mich nichts Neues; bin ja in den meisten Gefilden, in denen ich mich gerade herumtreibe, die Exotin (die Jüngste in der Oper, die Älteste im Uniseminar, Kinderloseste beim Elternabend (als Tante in love), Kinder-Mitbringendste bei der abendlichen Party am Mainufer (lovely Neffe natürlich mit Kopfhörern), Freieste im Angestellten-Freundeskreis, No-Coach in einem Online-Business-Club für, haha, Coaches – und mir würde noch viel mehr einfallen, wenn ich nicht über Judith schreiben wollte, und das will ich); Judith also:
Bucketlist mal anders
Andere haben To-do-Listen, Judith Peters, Superbloggerin und gelernte Texterin aus der Nähe von Stuttgart und definitiv die Queen of Wortspiele durch Mini-Lautverschiebungen („Newsbetter“, „Wirkbook“, „Morgähnstund“), schreibt „To-want“-Listen: Was will ich machen, erreichen, umsetzen? Im laufenden Jahr, im nächsten Jahr, in diesem Quartal? Einen Handstand schaffen, eine Küche einbauen, soundsoviele neue Blogartikel schreiben. You name it.
Schöne Idee, so eine Bucketlist, auch und vor allem als Come-into-action für Blogger, die sich über ne Idee freuen, worüber sie schreiben könnten (auch hier bin ich, ja was wohl, Exot, weil: Statt einer To-want-Liste habe ich eine To-blog-Liste, die jeden Tag länger wird…). Judith verweist auf das Buch „Das 12-Wochen-Jahr“, in dem geraten wird, das Jahr gedanklich in vier einzelne 12-Wochen-Phasen aufzuteilen, auf die jeweils der Fokus gerichtet wird. Wer das ausprobiert, setzt Ziele für diese abgekapselten Zeiträume und komme laut Judith schneller in die Umsetzung. „So erreichen wir viel mehr, als wenn wir uns ’nur‘ einmal im Jahr Ziele für das ganze Jahr setzen“, erklärt sie.
Eine Gymnastikübung für meinen Motivationsmuskel
Ich bin nicht in the mood für Tschacka-tschacka, für Pläne zum Abhaken, das Leben stellt mir gerade Aufgaben genug. Und doch mache ich – vorsichtig und wohldosiert – mit bei diesem Spiel. Es ist eine Schreibübung, ja, aber mehr noch: eine Gymnastikübung für meinen Motivationsmuskel, meine Freudefaszien, meine Achtsamkeitsadern. Plötzlich wird der Blick gelenkt auf die Dinge, die man begehrt, die man braucht und machen möchte, die einem gut tun oder das Leben, so lässt sich zumindest hoffen, in eine gute Richtung führen.
Und es öffnet die Augen für all das, was die nächsten Wochen für einen bereit halten, diese herbstlich-kühlen Monate, wie man sie gestalten könnte, oder besser sogar: gestalten möchte. Auf dass sie nicht einfach so vorbeifluschen, husch, und einen in einen Januar 2025 entlassen, als wären sie nie gewesen. Sie wollen gefüllt werden, die nächsten zwölf Wochen, der Oktober, der November und der Dezember 2024, sie wollen gelebt werden.
Ich halte also vorsichtig meinen Zeh in dieses Spiel, schaue mal, wohin es mich treibt, was sich so alles als „To-want“ zeigt.
To-want? Want-to! (Sorry, liebe Judith)
Was ich schon mal really really want, ist, den Namen etwas abzuändern. Nicht böse sein, Judith, aber – wenn du Laute verschieben kannst, kann ich das auch (liebe Grüße!). Denn: „To-want“ heißt doch: Dinge, die ich zu wollen habe, also: gefälligst. Oder? Klingt das nicht nach Wollen auf Befehl? Bevor ich da jetzt zu verkopft-linguistisch rangehe, sag ich: Ich schmeiße die zwei Wörtchen einfach mal rum, huppdidupp, und schon schwinge ich mit: Eine Want-to-Liste! Haa, here we goooo!
Hold my Pumpkin-Chai-Latte, da fällt mir doch was ein!
Nächster Schritt: Über welchen Zeitraum sprechen wir nochmal? Drei Monate? Und: nicht irgendwelche profanen Monate, sondern, hey: Oktober, November, Dezember? Die wohlig-heilige Herbst- und Weihnachtszeit also?
Hold my Pumpkin-Chai-Latte, da fällt mir doch viel ein, und zwar zu fast allen Schlagworten, die Judith – serviceorientiert, wie sie ist – mitliefert.
Bei der ersten Kategorie schieße ich schon mal (und schon wieder) quer: Reisen, Fahrten heißt sie, ein Klassiker für Blogger, klar. Nicht umsonst ist Social Media voll mit Reiseinfluencern, Travelbloggern; das ist ein Markt, das ist ein Sehnsuchtstopic für viele Leser.
Ich aber: bin satt. Vom Reisen, vom Unterwegssein.
Die Seele braucht ganz viel Zeit, um dem Körper eines Reisenden hinterherzukommen, heißt es. Tja, und wenn ihr mich fragt: Meine hängt definitiv noch irgendwo rum, in, ich weiß nicht, Vietnam vielleicht oder in Kuba, möglicherweise auch in Würzburg oder in Mannheim, da musste ich nämlich zuletzt beruflich hin. Ich hab keinen Airtag drangehängt, an meine Seele, kann sie also nicht orten, weiß nur: Fürs Erste möchte ich in einem kleinen abgesteckten Zirkel bleiben und warten, bis sie mir hinterher gehechelt kommt (und kann nur hoffen, dass sie dafür bitte nicht die Deutsche Bahn nimmt), und wir Happy Vereinigung feiern können (mein ganz privater Tag der Deutschen Einheit).
Deshalb also: Kategorie Reisen, Fahrten? Nee, liebe Judith, nicht mehr in diesem Quartal. Zumindest nicht als drängendes Want-to. Höchstens als Have-to, und so ist unser Listacle ja nicht gedacht, ne?
Was ich stattdessen möchte, sogar brauche: Grounding. Den Boden unter meinen Füßen statt Fahrtwind um die Nase spüren. Möchte die DB-App deinstallieren, dafür Rezepte-Apps reaktivieren, in Netflix eintauchen statt in den Indischen (oder welchen auch immer) Ozean. Zumindest für jetzt, für die nächsten drei Monate. Und um die geht es ja.
Dezember: Einmal munter rausgekickt
Stopp. Gestattet mir bitte noch einen Gamechanger, eine Änderung im Spielplan: Lasst mich den Dezember herauskeulen aus diesem Konstrukt. Der Weihnachtsmonat ist, naja, eben der Weihnachtsmonat, der hat mit Oktober und November einfach nichts zu tun, ist heilig, besinnlich, und braucht wieder ganz eigene Kategorien. Er will insulär betrachtet werden, zumindest von mir, er braucht einen Listacle for itself.
Also dann los, Trommelwirbel für Oktober und November, kunterbunt gewürfelt und fröhlich kategorienfrei einfach mal in die Luft geworfen hier meine Want-tos der nächsten acht Wochen:
- alle meine Kuscheldecken und Sofakissenbezüge durchwaschen (ja, ist ein to-want und kein to-do, weil es mich erdet, und ja, ich bin spät dran)
- Sommersachen einmotten (und mindestens drei Tränchen darüber verdrücken)
- Herbstsachen rausholen (und mich darüber freuen)
- Hagebutten im Garten ernten (nicht alle, weil: Vögel und so) und schauen, was ich damit machen kann (Tipps? Wie halte ich die bösen, brennenden Häkchen in Schach?)
- herausfinden, wie zum Henker ich Kürbis für mich schmackhaft machen kann (auch hier: Tipps? Welche Sorten gehen gut, welche Rezepte sind der Game-Changer? Welche Zusatzzutat gibt den Magic Twist?)
- Bad streichen
- Wintergemüse auf dem (Nord!-)Balkon aussäen (Profis hier? Andere Nordbalkonleidgeplagte? Was klappt bei Euch gut?)
- Blog noch rechtssicherer zurechtzurren, so ein Cookie-Ding vorschalten, beten, dass der Blog nicht in Fetzen fliegt dadurch
- Dieses Pinterest-Ding ausprobieren (Ist der Zug schon abgefahren? Oder wird er gerade noch betankt? Steckt da Gold drin, ich meine, richtig fette, glitzernde Barren? (Huuuh, und wer kriegt gerade noch Babylon-Berlin-Vibes?))
- Babylon Berlin gucken
- The Handmaid’s Tale gucken
- The Handmaid’s Tale lesen
- überhaupt: alles von Margaret Atwood lesen
- überhaupt lesen: „Der Lärm der Zeit“ (von Julian Barnes, ein Roman über den russischen Komponisten Schostakowitsch)
- Schostakowitsch hören, aber auch: Mozart’s Klarinettenkonzert und Franz Liszt’s Liebestraum, in Dauerschleife, aber auch Clara Schumann (und, das will ich doch so lange schon: mehr über sie recherchieren)
- Post über Bücher des Herbstes schreiben
- Post über Learnings aus/Gedanken über Bücher des Sommers schreiben
- drei Mal in der Woche Yoga nach Mady Morrison, the Queen of Yoga
- einmal in der Woche Durchgeh-Sport. Was das ist? Bewegung, die gerade eben so als Sport durchgeht: 500 bis 750 Meter schwimmen, 20 bis 30 Minuten (rasch) laufen, 3 Stunden wandern; mehr nehme ich mir nicht vor, es sind die kleinen Vorsätze, die es bringen. Sagt die Psychologie (glaub‘ ich).
- Psychologie recherchieren: Sind es die kleinen Vorsätze, die es bringen? (Ich hoffe es, und wenn es so ist, werde ich einen Blogartikel darüber schreiben)
- Überhaupt: Blogartikel schreiben. In die Umsetzung kommen. Meine To-Blog-Liste ist, wie gesagt, voll, so viele Ideen, so viele Themen, auch: so viele Veranstaltungen in Frankfurt, über die ich schreiben möchte.
- zur Buchmesse, auf jeden Fall aber zu Open Books gehen, Autoren zuhören, Schreibtipps ablauschen, und vor allem: ganz viel Geschichtenaufschreibvibes in meine Antennen umleiten
- Ausstellung „Städel-Frauen“ im (haha, Städel-)Museum besuchen und anschließend im Städelcafe sitzen, auf einem der hohen gepolsterten Bänke, und nach draußen schauen. In den Herbst, auf den Main, und dem meditativen Lauf des Kunstmobiles („Four Lines Oblique Gyratory“, George Rickey) vor dem Gebäude nachschauen. Möglicherweise in Trance verfallen. Und möglicherweise das ganz wunderbar finden.
- baden
- mit Familie sein und Trost spenden und Trost empfangen
- dankbar sein für die Menschen, die da sind, dankbar sein für deren Gesundheit (und für meine)
- mit Neffen (vielleicht ein letztes Mal noch? Ab wann wird Halloween für Schulkinder uncool?) auf Süßes-oder-Saures-Tour durchs geschmückte Wohngebiet pilgern
- Podcasts hören: „Gemischtes Hack“ probieren (den Podcast, aber Lasagne wäre natürlich auch mal wieder fein), „Frauenstimmen“ (von Ildikó von Kürthy) weiter durchsuchten und – für die Langstrecke – auch mal wieder in „Alles gesagt“ reinhören
- Und schließlich und überhaupt: Für die eigene seit Jahren in mir rumorende und immer wieder ordentlich Stromstöße setzende Schreibidee nochmal in alle diese Bücher hineinlesen und meine Notizen durchforsten: „Gittersee“ von Charlotte Gneuß, „Die Möglichkeit von Glück“ von Anne Rabe, „Der Turm“ von Uwe Tellkamp, „Der geteilte Himmel“ von Christa Wolf, „Die Tage des abnehmenden Lichts“ von Eugen Ruge, „Zuckersand“ von Dirk Kummer. Auch: „Streulicht“ von Deniz Ohde und „Herkunft“ von Saša Stanišić. (Erkennt hier jemand ein Muster? Ahnt jemand mein Thema? Wer einen Tipp abgibt, dem verrate ich vielleicht etwas mehr.)
Ich gehe jetzt Hagebutten ernten und Saatgut durchforsten. Werde Ildiko von Kürthy auf den Ohren haben oder vielleicht auch Schostakowitsch. Werde Mama anrufen. Mich (auch) freuen, wenn Papa dran ist. Morgen eventuell Kürbis schnitzen gehen, mit bestem Neffen der Welt. Den Herbst empfangen mit, hm, nun nicht ganz weit ausgebreiteten Armen (weil: es zieht unter den Ärmeln! Its the f* cold season!), aber doch einer ausgestreckten Hand. Werde sagen: Komm halt her, Du oller Racker, Du, der Du den Sommer vertrieben hast, dann machen wir es uns nun wenigstens ordentlich kuschelig. Aber bring Kuchen mit! Denn Kuchen backen, hat’s jemand gemerkt?, das steht nun wirklich nicht auf meiner Want-to-Liste.
6. Oktober 2024 um 18:11 Uhr
Freudefaszien! Ich bin begeistert!
Übrigens: Das mit der immer länger werdenden To-Blog-Liste kenne ich auch sehr gut!
LG und viele Bloggrüße
Judith, die Superbloggerin
7. Oktober 2024 um 20:31 Uhr
Liebe Judith, hey, ich freue mich über Deinen Kommentar, merci!Jaaa, diese immer länger werdende Blog-Liste, seufz… Aber besser, als gar keine Ideen zu haben, gell? Liebe Grüße – und Kompliment, wie sympathisch (Nomen ist omen und so…) und nahbar Du Deinen Blogberatungs-Job machst. Man fühlt sich wirklich wohl bei Dir. Und wer weiß, vielleicht rausche ich auch noch in die Content Society…
Herzlich, Rome