AUSSTELLUNG IM MMK // TITANIA-SAISONERÖFFNUNG // No. 2 Records GEBURTSTAGSFEST___
Es gibt diese Tage, und ich bin mir sicher, ihr kennt sie auch, da bin ich so verliebt in meine Stadt. Ich funkele sie an, und sie funkelt zurück. Oder ist es andersherum? Sie ist so facettenreich, so „artenvielfältig“, um mit meiner Freundin Silja zu sprechen, und das fällt mir an eben diesen Tagen auf.
Mein funkelndes Frankfurt an einem Wochenende in drei Aufzügen —
Funkeln #1: Spuren einer Ausstellung
Ich denke das an diesem Wochenende wieder, als ich bei der Eröffnung von Ersan Mondtags Ausstellung „I am a Problem“ sitze, der wunderbaren Ina Hartwig zuhöre, die ich schon als Literaturjournalistin schätzte, und bei der ich auch jetzt das Gefühl habe, dass sie als Frankfurts Kulturdezernentin gute, weil aus dem Herzen angetriebene Arbeit tut (nicht dass ich ihr da über die Schulter gucken könnte, aber sich im Sommer dem ersten „Bootsgespräch“ bei Hans Romanov zu stellen, sich die Nöte der Frankfurter Künstler anzuhören und sachte, besonnen zu beantworten, war schon fein).
Und was für eine Stadt auch, die eine so mutige, kraftvolle, verstörende Ausstellung ermöglicht – „I am a Problem“: Um Selbstoptimierung soll es gehen, um das Streben nach Perfektion, um eitle Operndiven, die einen Bandwurm verspeist haben sollen, um auf Idealmaße zu verdünnen. Aber diese Interpretationsmöglichkeiten lasse ich irgendwann hinter mir – und sehe eigene Augenblicke, düstere, bedrohliche, verwirrende:
Die Ausstellung läuft noch bis 18. Februar 2018 im MMK 2, Taunustor 1, Frankfurt.
Am 2. November gibt es um 19 Uhr einen MMK-Talk mit Ersan Mondtag.
Mehr über die Ausstellung gibt es auf der Website des MMK.
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Funkeln #2: Spielwütig
Einen Tag später laufe ich Bettina Kaminski in die Arme, in ihrem Off-Broadway-Theater Titania, wo ich schon so gute Stücke gesehen habe. Die Theatermacherin, Schauspielerin, Regisseurin läutet die neue Spielzeit ein, hat eben mit ihren Kollegen Szenen des Glücks gespielt – auf einer rasch zusammengebauten provisorischen Bühne im Theatergarten.
„Jahrelang haben wir unser Saisoneröffnungsfest immer drinnen abgehalten, diesmal trauten wir uns nach draußen.“ Die Herbstsonne scheint auf Bettinas Gesicht, das diese ganz besonders schönen Falten trägt, wie sie nur Theaterleute, und zwar echte Mimiker, nach Jahren ihres Tuns zeichnen; von den Bäumen fällt aller fünf Minuten eine Kastanie, Bettina hebt eine davon auf, dreht sie in ihrer Hand, spielt mit ihr. Sie erklärt uns ihr neues Programm, weist auf „Diplomatie“ hin und auf „Ichglaubeaneineneinzigengott.hass“, ihr Solostück.
Und das, das ist sicher, schaue ich mir an: Drei Frauen, drei Schicksale im Heiligen Land: das einer israelischen Professorin, einer palästinensischen Studentin, einer amerikanischen Studentin – alle drei gespielt von Bettina. Das ist mein Stück, scheint mir, das will ich sehen (14./15. Oktober, 11./19. November).
Und Bettina? Funkelt, ach was, strahlt – vor Spielfreude, vor Spielzeiteröffnungsenthusiasmus. Und ich denke, ja, auch hier kommt es her, das Funkeln, das Strahlen dieser Stadt.
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Funkeln #3: Geburtstag, der dreiunddreißigeindrittelste
Wieder nicht lang später quetsche ich mich mit einem Kaltgetränk zwischen auf Pappehockern sitzende Menschen, in einem Second-Hand-Plattenladen ist das, Number Two Records, Wallstraße. Michael feiert den Geburtstag seines Shops, den 33igeindrittelsten, und hat geladen: Gäste wie uns, aber auch Musiker: Fee. ist da, die entzückende junge Frankfurterin, die in ihren Liedern die Themen der Mittzwanziger besingt, von „Einzimmerwohnungen“ und „Liegenbleiben wollen“ und Künstlersorgen, nicht selten mit koketter Ironie: „Ich werde wohl verhungern, also küss mich besser noch mal schnell.“ Ihr Album „Ein Zimmer Küche Bad“ kommt erst im nächsten Frühjahr raus, aber ihre erste Auskopplung, ihr „Einzimmerwohnung“-Ohrwurm, hält sich schon jetzt in diversen Hitparaden.
Mein (weiteres) Highlight an diesem schönen Musikabend sind Sheena und Michael, ein irisch-deutsches Duo. Sie singen eigenen Slow Pop, Slow Folk, mal nen Dubliners-Song, mal „Whiskey in the Jar“, auf ihre persönliche, melodiöse, zärtliche, oft zweistimmige Weise. Sie haben just am Tag zuvor ihr drittes gemeinsames Album Flourish veröffentlicht, und ein bisschen habe ich das Gefühl, dass sie ihr Glück selbst nicht recht fassen können. „Ich bin heute das erste Mal zu einem Gig eingeflogen worden“, sagt Sheena grinsend zwischen zwei Songs. „Das fühlt sich seltsam an, aber gut.“
Es ist schon gegen Ende, als Sheena mit ihrer unfassbar warmen und perlenden Stimme ansetzt zu ihrer Version von „Dancing in the dark“, dem Springsteen-Fetzer, den ich sonst eher wegschalte, weil er mir zu sehr rotzt. Aber sie singt ihn sehr sanft, fast schon zu traurig für meine eh gerade wehmütige, weil einen bestimmten Mann vermissende Seele. Aber ich lasse mich ein, renne nicht weg, lass ihre Töne eintröpfeln in mein Gemüt. Und stelle fest: Es geht. Leise Traurigkeit trifft leise Traurigkeit – so entsteht ein Funken Glück.
Erst als ich nach Hause fahre, den Springsteen-Refrain ein bisschen vor mich hinsinge, wird mir der Sinn so richtig klar.
You can’t start a fire.
Can’t start a fire without a spark.
Du kannst kein Feuer entfachen
– ohne einen Funken.
Ach, Frankfurt.
Sagte ich schon, wie verliebt ich bin?
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