Vielleicht lag es ja am Vollmond. Oder am einsetzenden Herbst. Oder an einem Zuviel an überraschender (und überraschend kräftiger) Sonne. Aber dieses Wochenende ist mir gleich zweimal Frust unter Frankfurtern begegnet.

Frustfetzerl Nummer 1, Samstag: die Altstadt Frankfurts, also: die neue alte, wiederaufzubauende, davon kann man ja halten,was man will, und meine Meinung dazu hat sich noch nicht so recht entwickelt, jedenfalls die alte neue Altstadt feierte Richtfest. Auf der Außenterrasse des Schirn Cafés gab’s Sekt und Selters für Herren in soliden Anzügen und für Damen, die sich extra fein gemacht haben; keiner hier ahnte etwas davon, was sich fünfzig Meter weiter abspielte: Hier drängten sich, auf dem kleinen Vorplatz links vom Haus am Dom, immer mehr Menschen, stellten sich vor einem Absperrzaun auf, ausgestattet mit Kameras und viel Glanz in den Augen. Ab 15 Uhr, so stand es in der Zeitung, jawoll, so stand es da, nicht wahr, Hannelore?, wird hier, gleich vor ihnen, der Krönungsweg eröffnet. Und dann können sie alle, der Heinz und die Hannelore und die Petra und die Heike, den Pfad entlangwandern, den auch einst die Kaiser gingen, nach deren Krönung im Dom nämlich zur anschließenden Feier im Römer. Allein, der Absperrzaun bewegt sich nicht. Dafür die Menge. „Ei, sache mal, es geht da vorn doch noch ned weider, ihr braucht gar ned so zu drücke dahinne“, ruft einer, der sich einen vorderen Platz am Gatter gesichert hatte, über seine Schulter nach hinten, zu den billigeren Plätzen. Es rumort. Um 15 Uhr sollte es losgehen, es war schon 15.20 Uhr. Und im Mozart Café wartet doch schon der Apfelstrudel.

Dann endlich, der Zaun wird beiseite geschoben, die ersten zehn Menschen drängen sich durch, von hinten wird geschoben (man meint ja, das gebe es nur bei Rihanna- oder Justin Bieber-Konzerten, aber auch die Hannelore hat ganz schön Kraft, wenn sie will…), und dann – ist der Zaun wieder dicht. Betroffene Gesichter. „Gott sei Dank ist es heute wenigstens nicht so kalt“, sagt eine äußerst gepflegte Endfünfzigerin zu ihrem Gatten, und legt nochmal neu Lippenstift auf. Einige der Führungen, so hieß es in der Zeitung, würden schließlich vom Oberbürgermeister Peter Feldmann persönlich übernommen. „Persönlich“, raunt die Dame nochmal nachdrücklich. Als würde er sonst üblicherweise seinen Avatar schicken.

Da lohnt sich fei schon das Warten.

Die ersten Wartenden lösen sich aus der Menge. Stapfen zum Seitenzaun. Was dauert denn hier so lange?

Eine nette und erstaunlich ruhig bleibende Mitarbeiterin (Stadt? Sicherheitsfirma? Baufirma?) erklärt, dass nun mal nicht alle gleichzeitig durchgelassen werden könnten. „Das ist hier ja immer noch eine Baustelle“, sagt sie. Da könnten nicht mal eben 300 Leute drüber laufen. Ein Herr, grobschlächtig gebaut, weißer Hut, wird laut, erhebt seinen Zeigefinger in drohender Donald Trump-Manier. „Aber in der Zeitung stand, ab 15 Uhr könne man hier druff, das ist doch wohl unverschämt, dass wir hier jetzt so wadde müsse.“ „Naja, ich bin doch nicht von der Zeitung“, sagt die Dame fast entschuldigend, immer noch lächelnd. Und tut einem leid. Eine andere Besucherin geht den Hutträger an: „Sie können doch nicht so böse mit der Frau hier sprechen, die kann doch nichts dafür.“ Der Mann entgegnet, verblüffend offen: „Aber irgendwo muss ich meinen Frust doch loswerden.“

"Ich kann doch nichts dafür" - Diskussionen am Seitenzaun

„Ich kann doch nichts dafür“ – Diskussionen am Seitenzaun

 

 

 

 

 

 

 

 

Kopfschüttelnd stapft er davon, vielleicht in Richtung Mozart-Café, zum Trost spendenden Apfelstrudel. Sein eigener, ganz privater Krönungsweg.

Am Tag später dann, das Wetter besser, das Publikum ein weitaus anderes, man trifft sich, wenn man neue, alte Mode braucht oder eigene loswerden will, darunter Monki-Jumpsuits, Nike-Sneakers, und das ein oder andere H&M-Teil, auf dem Boot von Hans Romanov. Yachtclub, der wunderbare, entspannte Laden. Heute nix da entspannt.

Voll, sonnenbestrahlt, „…und too many hipster“

Die Sonne brennt fast schon aggressiv aufs Deck, die Beats (DJ Hansa) wummern aus den Lautsprechern, die Menschen drängen sich dicht an dicht auf dem kleinen Areal. Man muss schon sehr heiß auf ein paar neue Stücke sein, um hier durchzuhalten. „Ey, Lina, ich hau hier ab, mir ist das zu stressig“, sagt einer und drückt sich Richtung Ausgang. Die ersten haben es sich schon am Rand des Schiffs bequem gemacht. Sollen doch die anderen nach Vintageklamotten fahnden. Und auch am Ufer versammeln sich einige, gucken skeptisch rüber aufs Deck, aufs Gewühl. „Ich habs da drauf nicht ausgehalten“, erzählt mir eine, während sie sich auf ihr Fahrrad setzt. „Zu eng und zu laut und zu warm“, sagt sie, setzt ihre Sonnenbrille auf, und ruft, während sie schon in die Pedale tritt, „und echt zu viele Hipster.“