Newcomer Cris Cosmo rockt Apfelweinfest
Ich erkenne verknallte Menschen, wenn ich sie sehe. Und Jenny, hochrote Bäckchen, vorfreudiges Glitzern in den Augen, ein tief ausgeschnittenes Kleid, das ich so gar nicht an ihr kenne – aber hallo, keine weiteren Erklärungen nötig. Der Mann, den wir gleich sehen werden, muss ein Engel sein. Oder ein Teufelskerl. Oder einen verdammt knackigen Po haben.
Es ist der heißeste Abend der Woche (des Monats?), und ich kann mir Besseres vorstellen, als mitten in der City auf dem gepflasterten Rossmarkt zu sitzen, auf einer Bierbank, unter ’nem Possmann-Schirm. Denke ich noch so. Und dann denke ich zwei Stunden gar nichts mehr. Bin nur noch Rhythmus und Bass und Jauchzen.
Cris Cosmo und seine Band sind nicht nur Musiker, sie sind Menschenkitzler. Ihr Job: Mit ordentlich aufgejazzten Arrangements das Publikum zum Tanzen zu bringen. Das machen sie prima. Ach was, das machen sie ganz großartig. Trotz Schwüle und Wochenmitte und hölzerner „Apfelweinfest im Bankenviertel“-Atmosphäre holen sie die Leute nach und nach von ihren Bänken, bringen sie zum Tanzen und Rufen und zum Arme in die Luft schmeißen.
Mich beschleicht das Gefühl – und das habe ich nicht oft –, dass jeder, der heute nicht hier ist, der lieber am Main oder im Brentanobad sitzt, einen goldenen Moment verpasst. Vor allem einen, der so schnell nicht wiederkommen wird. Denn Cris startet bald voll durch. Am 4. September tritt er in Stefan Raabs „TV Total“ auf, und Ende September nimmt er am Bundesvision Song Contest teil, jenem Wettbewerb, für das jedes Bundesland einen Show Act schickt. Cris wird Hessen vertreten, seine Wahlheimat.
„Schon aufgeregt?“, frage ich Julian, den Bassisten, der in der Pause zufällig neben mir sitzt. „Ach was“, winkt er lässig ab, „wir gucken einfach, was kommt, wir wollen Spaß haben, haben ja noch andere Bandprojekte am Laufen.“ Aber in seinen Augen flackert es dann doch verdächtig. Hey, Stefan Raab! TV Total und die ganze Sause! Wenn alles richtig läuft, wenn jetzt nichts mehr schief geht, könnte das den Durchbruch bedeuten. Und den Abschied von 3000-Euro-Gigs auf Apfelweinfesten.
Unselig meets Südamerika
Mit ihrer Musik könnten die sieben Jungs (und ein Mädel, das aber an jenem Rossmarkt-Abend nicht dabei ist) zumindest gerade richtig liegen: Ein bisschen „Mach mal locker, geh offline“-Flair à la Tim Bendzko, brasilianische Rhythmen für die Fernwehler, aber auch nachdenklich-belehrender Inhalt fast im Unselig-Style – darauf stehen doch die Leute jetzt.
Aber Cosmos Texte strotzen auch nur so vor Imperativen, und ich weiß nicht, ob mich das nicht etwas anstrengt: Geh raus. Steh auf. Leb Dein Leben. Öffne die Augen. – Huff. Bisschen viel verlangt für so einen warmen Sommerabend. Ist ja gut, will ich ihm zurufen. Finde doch eigentlich alles ganz okay so, wie es ist. Komm, lass uns lieber weiter tanzen. Und da wirbelt er schon wieder herum, singt von wir, wir, wir, wir sind die Bewegung, und von Körperkontakt im Sinne der Völkerverständigung.
Cris Cosmo ist ein Frauentyp – und auch das könnte ihm Punkte bringen. Eine coole Socke eben. Auf der Bühne, wie wohl auch im Leben, wie ein netter Typ aus Flörsheim verrät. Ein Jahr lang habe er bei Cris Gitarrenunterricht genommen, und er sagt: „So locker, wie er auf der Bühne ist, so ist er auch privat.“
Ach ja. Und einen tollen Po hat er natürlich auch.
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