Also, meine Freundin, ja, die ist Ärztin. Und die sagt, wenn alle nur wüssten, wie gar nicht gut es im Krankenhaus klappt, dann…
Sorry, kleines Remake eines Werbespots aus den Neunzigern, passte grad so gut (hat es jemand erkannt?). Was ich eigentlich erzählen will, ist folgende, wahre Geschichte:
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Es ist jeden Tag aufs Neue reiner Zufall, ob meine Freundin Marie bei ihrer Arbeit ordentlich aussieht. Ob sie, Stationsärztin an einem hessischen Stadtkrankenhaus, ihren Patienten gepflegt und sauber gekleidet gegenübertritt. „Manchmal spuckt unsere Kleidermaschine einen ordentlichen Kittel raus“, erzählt sie, „manchmal aber auch einen mit blassen Flecken, mit Riss oder kaputter Naht.“ Vor wenigen Monaten wurde in ihrer Klinik – den Namen nenne ich hier mal nicht – die Wäscheversorgung umgestellt, auf einen kleineren, lokalen Miet- und Reinigungsservice, einen billigeren zumal.
Marie erzählt: „In einem Rundumschlag wurden für uns anlässlich dieser Umstellung Stationspoloshirts bestellt, nur rasch die Größe abgefragt – und fertig. Anprobe? Abfrage unserer Wünsche? Fehlanzeige.“ Das Problem: Die neuen Shirts sind so stark tailliert, dass sich alle Ärztinnen mit einer Konfektionsgröße über 40 – „und davon sind wir hier nun mal einige“ – weigern, sie anzuziehen. „Weißt Du, Ro, ich bin ja nun wirklich nicht sonderlich eitel.“ – Stimmt, so kenne ich sie gar nicht. – „Aber der Schnitt ist so figurbetont, dass wir aussehen wie reingequetscht. Selbst die nächstmögliche Größe hilft da nichts.“
Zur Not helfen Gürtel aus Mullbinden
Die Frauen, Schwestern und Ärztinnen, beschweren sich, stellen einen Sonderantrag, ihr Wunsch: handelsübliche Kittel und Hosen. Einfacher Schnitt bitte, Farbe egal, Mischgewebe. Doch das, was nun täglich die Ausgabeautomaten der Mietfirma verlässt, ist kaum besser. „Neben den kleineren Mängeln stimmen die Passformen einfach nicht“, klagt Marie. „Meine Kolleginnen und ich sind nun ständig dabei, zu lange Ärmel hochzuschieben, damit sie nicht uns nicht bei der Arbeit behindern, Hosenbeine hochzukrempeln – oder uns den Kittel mit Behelfsgürteln festzuzurren. Zur Not mit Mullbinden. Modetechnisch geben wir hier eine arg improvisierte Mannschaft ab.“
Eine erneute Beschwerde beim Arbeitgeber verhallte bislang. Leidet da nicht die Wertschätzung, mindestens aber das Wohlgefühl am Arbeitsplatz? „Ach, Wertschätzung“, zuckt Marie resigniert mit den Schultern. „Es ist eher so: Wenn mein Arbeitgeber augenscheinlich nicht in der Lage ist, mir angemessene Arbeitskleidung zu beschaffen, dann laufe ich eben so herum. Es ist sein Image, das dann Schaden nimmt, nicht meines.“
Ich komme nicht umhin, mich zu fragen: Sollte ich es locker sehen, dass sich ein Krankenenhaus nicht um die Berufskleidung seiner Angestellten schert? Einfach, weil es nunmal Wichtigeres zu tun, zu erledigen und zu beachten gibt (da wäre ja noch so etwas wie Patienten heilen, Leben retten, um Fachkräfte kämpfen und – nebenbei nicht pleite gehen)… Oder – tja. Oder sollte mich die Geschichte beunruhigen? Wenn eine Klinik schon die Kleiderversorgung seiner Mitarbeiter nicht im Griff hat, wie gut kann es dann um die Prozesse bei der medizinischen Versorgung stehen?
Ich frage Marie. Sie sagt: „Liebe Ro, frag bitte nicht weiter.“
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