Es ist ein Frankfurter Geheimtipp: Wer auch mal für kleines Geld in den Genuss von klassischer Musik kommen will, nebenbei vielleicht auch junge und viel versprechende Musiker oder Schauspieler entdecken möchte, der schaut in Frankfurt in der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK) vorbei.
Hier geben Studenten und Lehrer regelmäßig eine Probe ihres Könnens: Klavier, Flöte, Harfe, Violine, Schlagzeug, Barockcello, zudem auch Gesang und Szenenvorspiel – das Veranstaltungsprogramm liest sich wie ein buntes Potpourri der Kultur.
Gestern hatte Guoda Gedvilaite geladen: Die litauische Pianistin hat bis 2004 an der HfMDK studiert und gibt heute selbst Meisterkurse im Klavierspiel. In ihrer Veranstaltungsreihe „Guoda Gedvilaite & Friends“ bittet sie nun Kollegen, Schüler, Wegbegleiter zu sich, erarbeitet mit ihnen Klavierstücke, bietet ihnen ein Forum, sich und ihre Kunst zu zeigen. So ein Ansinnen kann dröge geraten – oder auch ganz bezaubernd, so wie gestern: Etwa wenn Gedvilaite die Musikerin Guoda Indiunaite ankündigt, Namensvetterin und Landsmännin – und selbst nicht so ganz weiß, was sie ihr eigentlich ist. Schülerin? Schützling? Freundin? „Ich kenne sie schon, seit sie ganz klein ist“, sagt Gedvilaite. Und verweist, ein wenig gerührt, ein wenig stolz, auf den derzeit vollen Terminkalender der jungen Pianistin. „Sie wünscht sich derzeit vor allem eins, hat sie mir verraten: Urlaub.“
Dem Spiel der Nachwuchsmusikerin jedoch ist keine Müdigkeit anzumerken. Das sage ich natürlich als Laie, als Zuhörerin, die sich einfach nur von der Musik wegtragen lassen will. Ob sie die Synkopen richtig genommen, die Technik richtig eingesetzt, die was-weiß-ich korrekt durchgeführt hat – keine Ahnung. Sollen andere beurteilen. Ich weiß nur, dass mich ihre Töne berührt haben, und ist das nicht das Wichtigste? Edward Grieg spielte sie, „Aus Holbergs Zeit“. Kannte ich nicht, bin jetzt aber Fan, vor allem vom vierten Satz „Air“. Wunder-, wunderschön.
Youtube hat zu dem Stück folgendes Hörbeispiel parat (hier natürlich nicht von Guoda Indruinaite, sondern von dem Kanadier Joel Hastings):
[youtube http://www.youtube.com/watch?v=tvtzSTZd8-A?rel=0&w=420&h=315]
Dass Gedvilaite ein Händchen in der Auswahl ihrer musikalischen „Friends“ hat, beweist auch der Auftritt von Christopher Park. „Als ich schon so gut wie fertig mit meinem Studium an dieser Hochschule war, da. kam. er“, kündigt sie den jungen Pianisten aus Bamberg an. Und es klingt ein wenig, als sei erst da, mit seiner Immatrikulation an der HfMDK, die Sonne am Klassikhimmel aufgegangen.
Gemeinsam spielen beide die Komposition „Ma mère l’oye“ von Maurice Ravel, bevor Park dann seine Solo-Partie gibt: Claude Debussy, Children’s Corner. Ganz spontan, so als sei er eben erst auf die Idee gekommen, erläutert uns der Pianist vorab ein paar Details zum Stück: Wir sollten etwa darauf achten, wie rasant der erste Satz ausgeht, gleich einer Etüde, die der ungeduldige und des Übens überdrüssige Klavierschüler rasch zu einem Ende bringen will. Außerdem würden wir gleich Schneeflocken hören, leise und verspielt fallende Flöckchen. „Zu der Zeit, als Debussy das Stück schrieb, sind gerade diese kleinen Schneekugeln aus Glas modern geworden“, erklärt uns Park. Und schließlich: der Satz über einen jungen Hirten: Park spielt einige Noten an – „da habe ich mir schon als Kind immer vorgestellt, das seien die kleinen Schafe, die über die Wiese springen“. So hätte ich mir früher mal Musikunterricht gewünscht: charmant und bildreich.
Charmant – und sehr souverän – auch die Reaktion von Guoda Gedvilaite, als für eine vorgesehene Doppelpartie ein Satz Noten fehlt. Die Noten werden rasch besorgt, in der Zwischenzeit setzt sich Gedvilaite ans Klavier, spielt aus dem Stegreif ein Stück von Clara Schumann. Nervosität? Verlegen gestelztes Gehabe? Keine Spur. Klassik kann so cool sein.
Beim letzten Stück vor der Pause schließlich geben die beiden Guodas nochmal alles: Den „Danse macabre“ von Camille Saint-Saens reißen sie, sich an zwei Flügeln gegenübersitzend, herunter, dass man die Noten nahezu körperlich spüren kann. Das Stück entwickelt eine Kraft, die sich bis ins Publikum überträgt, ein Volumen, das noch Minuten nach dem Applaus nachwirkt.
Wie aufgeputscht taumele ich schließlich nach draußen. Zwei junge Männer laufen gerade an dem Schulgebäude vorbei. „Das hier ist übrigens eine Musikschule“, sagt der eine zum anderen. Oh nein, Junge, denke ich so bei mir, das hier ist so viel mehr.
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Mehr Infos über Guoda Gedvilaite gibt es hier.
Über den smarten Christopher Park kann man sich hier ein Bild machen.
Und zum Veranstaltungsprogramm der HfMDK bitte hier entlang.
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