Diese Frau macht es sich nicht leicht.

Warum willst Du diese Geschichte erzählen?, fragt sie sich selbst etwa immer wieder. Was treibt Dich dazu? Welches Gefühl, welches Bild, welches Thema?

Die Liebe, gibt sie sich dann vielleicht selbst die Antwort. Um nur gleich darauf weiter zu bohren: Die Liebe? Welche Liebe? Was an dieser Liebe, die Du beschreiben willst, ist berichtenswert? Ein spezieller Aspekt? Ein Problem?

Ja, da gibt es ein Problem, aber das kann ich nicht erzählen.

Warum nicht?

Weil es unerträglich ist.

Dann finde etwas, das Du aussprechen kannst, ohne die Kontrolle zu verlieren. Finde das Minimum.  —

Terézia Mora ist unerbittlich. Um die richtigen Worte, das treffende Bild zu finden, ringt die Schriftstellerin mit sich und mit den Hintergründen ihrer Geschichten, hinterfragt, sucht Symbole, dringt immer tiefer vor.

Das ist anstrengend, das ist Arbeit. Das ist die Arbeit einer Autorin, die sich nicht darauf verlässt, dass die Muse sie küsst. Oder sich zumindest nicht auf dem Kuss ausruht.

Terezia Mora

Ihr Eröffnungsvortrag (sie jedenfalls, und das fällt auf, nennt es „Vortrag“, nicht etwa „Vorlesung“) als Antritt ihrer fünfwöchigen Poetikdozentur in Frankfurt ist das, was man, was ich kaum erwartet hätte: lehrreich. Keine abstrakte, akademisch überkandidelte Betrachtung von Literatur. Kein selbstgefälliges Geschwurbel einer mit vielen Preisen ausgezeichneten Schriftstellerin (u.a. Deutscher Buchpreis 2013 für „Das Ungeheuer“).

Sondern ein tiefer, überraschend offener Einblick in das selbstkritische, mühevolle Herausschälen der Essenz einer Geschichte, in den Kampf um die richtigen Worte.

Ihr erster Text, der so entstanden sei, „war auch der erste, bei dem ich das Gefühl hatte, hier spreche wirklich ich“.

Texten sehe man nämlich alles an. Ob sie ehrlich seien. Und authentisch. Oder reine Konstruktion. Mora fragt sich deshalb immer wieder selbst: „Ist das wirklich Dein Wort?“

In Listen hält sie fest, worüber sie schreiben will. Gewalt. Armut. Verwahrlosung. „Wer eine Liste schreiben kann, kann auch den Rest schreiben.“ Dann findet sie Bilder, konkrete Dinge, Landschaften. Das Schilf, das, wenn der Wind hindurchfährt, im Winter anders klingt als im Sommer; die Erde, der Schlamm.

Nur über Dinge schreiben, die man „sehen, hören, riechen, fühlen, schmecken kann“, lautet eine von Moras Regeln. Erst die konkreten Dinge benennen, dann das, wofür sie stehen. Satz für Satz ein inneres Bild zu beschreiben, das sei ihre Technik. Und: Gedanken nur „in größter Einfachheit“ skizzieren.

„Wenn es die richtige Methode ist, sollte sie für ein ganzes Buch reichen“, sagt Mora. Und dann fehlt nur noch: Vertrauen. In die eigene Methode, aber auch in sich selbst.

Mora: „Denn auch wenn ich vielleicht sonst nicht viel über Erzähltechniken weiß, soviel weiß ich dann doch:

Die Autorin – bin ich.“

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Die nächsten Frankfurter Poetikvorlesungen von Terézia Mora finden am 21. und 28. Januar und am 4. und 11. Februar 2014, jeweils um 18.00 Uhr (c.t.), im Audimax /Hörsaalzentrum der Universität Frankfurt (Campus Westend) statt.

Mehr Infos dazu gibt’s hier: www.poetikvorlesung.uni-frankfurt.de

Wer mehr über Terézia Mora erfahren will, dem empfehle ich die Ausgabe 221 der Reihe TEXT + KRITIK, die sich ihrem Werk und ihrer Sprache widmet.